Essen (energate) - Die Speicherung von Wasserstoff spielt für die EWE eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Bei der E-world 2024 in Essen sprach energate mit Technik-Vorstand Urban Keussen über technische Erfolge, offene Finanzierungsfragen und den zeitlichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.
energate: Herr Keussen, was machen Sie konkret im Bereich Wasserstoffspeicherung?
Keussen: Für uns ist Wasserstoff einer der Kernbausteine der Energiewende. Er macht die fluktuierenden Erneuerbaren jederzeit verfügbar, denn Wasserstoff ist speicherbar. Wir sind als EWE einer der großen Speicherbetreiber in Deutschland und liegen in der Region, wo wir die geologischen Voraussetzungen haben, um Moleküle unter Tage speichern zu können. Wir speichern in den unterirdischen Kavernen heute Erdgas und beabsichtigen künftig dort auch Wasserstoff zu speichern.
energate: Warum ist das wichtig?
Keussen: Wasserstoff muss deswegen gespeichert werden, weil wir erstens Kunden bedarfsgerecht versorgen müssen. Zweitens gibt es die sogenannte Dunkelflaute, in der es keinen Strom aus Wind oder Sonne gibt. Da kommt Wasserstoff ins Spiel, der auch über längere Zeit gespeichert werden kann. Das geht nur unter Tage, in Salzkavernen.
Wir haben bereits ein Projekt in Rüdersdorf bei Berlin, mit dem wir zeigen, dass das technisch einwandfrei funktioniert. Nach dem Bau und diversen Dichtheitsuntersuchungen testen wir gerade den Betrieb des Speichers, also das Ein- und Ausspeichern des Wasserstoffs auf verschiedenen Druckstufen. Das läuft bislang sehr gut und deswegen sind wir zuversichtlich, dass wir perspektivisch auch signifikante Mengen werden speichern können.
energate: Was sind denn Ihre Erkenntnisse in Rüdersdorf, was die Technik angeht?
Keussen: Unsere Erkenntnisse sind: Erstens, es funktioniert gut. Zweitens, wir haben besonders Augenmerk daraufgelegt, ob die Eigenschaften, die Wasserstoff von Erdgas unterscheiden, zu irgendwelchen Materialthemen führen. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben die verbauten Materialien getestet und auch nachgewiesen, dass die Zuleitung zur Kaverne dicht ist. Wir haben keine abweichenden Effekte gesehen, also technisch keine Überraschungen, die uns hindern würden, vorwärtszugehen.
energate: Sehen Sie noch Herausforderungen dabei, das Ganze hochzuskalieren? Rüdersdorf war ja eine kleine Kaverne.
Keussen: Nein, sehen wir nicht, denn wir sind ja erfahren darin, wie wir Erdgasspeicher bauen, skalieren und betreiben. Und es gibt auch viele Parallelen. Technisch sehen wir da keine Herausforderung, auch nicht in der Skalierung. Ich glaube, die beiden Herausforderungen sind jetzt, erstens: die regulatorischen Rahmenbedingungen. Dafür gibt es ja den Plan des Bundeswirtschaftsministeriums, die Speicherregulierung im ersten Halbjahr festzulegen. Das ist ein wichtiger Meilenstein für uns. Zweitens: der Markt. Wir brauchen einen funktionierenden Wasserstoffhochlauf, um mit Kunden Lieferverträge zu schließen, in denen Speicher dann eine wichtige Rolle spielen werden.
energate: Stichwort Regulierung: Was brauchen Sie für die Finanzierung?
Keussen: Wir werden in die Speicher für Wasserstoff nicht komplett wettbewerblich von null an investieren können, um den Hochlauf zu generieren. Sie wissen, die Infrastruktur muss zeitlich immer etwas vorlaufen, bevor der Markt dann richtig funktioniert und liquide wird. So wie wir beim Wasserstoff-Kernnetz eine Art Anschubunterstützung benötigen, so werden wir das auch im Speicherbereich brauchen.
Trotzdem glauben wir, dass auf lange Sicht ein Speicher ein wettbewerblich orientiertes Element sein wird. So wie wir heute auch Erdgasspeicher innerhalb eines gesetzten Regulierungsrahmens wettbewerblich betreiben. Wir sehen da eine hohe Parallelität.
energate: In Brüssel ist jetzt die IPCEI-Förderung durch, eine große Erleichterung für Sie?
Keussen: Präzise muss man sagen, die Notifizierung der Europäischen Kommission ist durch, also die Genehmigung, dass die nationalen Fördergeber finanziell unterstützen dürfen. Wir haben noch nicht den Förderbescheid für unser Großvorhaben "Clean Hydrogen Coastline". Wir sind aber zuversichtlich, dass dieser zeitnah kommt. Das heißt, wir kennen auch noch nicht die genaue Förderhöhe, die damit verbunden ist. Das ist ein wichtiger Aspekt für die finale Investitionsentscheidung durch unsere Gremien. Aber ja, die Erleichterung ist erstmal groß. Wir haben mehr als zwei Jahre gewartet, lange darauf hingearbeitet und da ist die Notifizierung definitiv ein Meilenstein.
energate: Welchen Stellenwert hat die Förderung denn in der Gesamtplanung?
Keussen: Sie hat für uns einen signifikanten Stellenwert. Wir haben im Rahmen unseres IPCEI-Vorhabens drei Elemente: Wir wollen in Elektrolyseure investieren, 320 MW in Emden und 50 MW in Bremen. Wir wollen in Leitungen investieren, das sind Teile des Wasserstoff-Kernnetzes. Und wir wollen auch eine Erdgaskaverne umrüsten, um darin Wasserstoff zu speichern. In Summe ist das ein Investitionspaket im hohen dreistelligen Millionenbereich. Und davon muss dann die Förderung auch einen signifikanten Teil ausmachen. Die Wirtschaftlichkeitsrechnungen können wir aber erst nach Vorliegen der Förderbescheide in unseren Gremien erörtern, um dort dann final zu entscheiden.
energate: Sie haben mehrfach das Wasserstoff-Startnetz angesprochen. Da sind Sie mit der EWE Gasspeicher jetzt auch in das Projekt "Flow" eingestiegen. Was erhoffen Sie sich davon?
Keussen: Wir sind als EWE ja auch beim Ferngasnetzbetreiber GTG Nord beteiligt und damit Teil der Ferngasnetz-Investitionsdiskussionen. Darüber haben wir uns in die Planung des Wasserstoff-Kernnetzes eingebracht und in unserer Überlegung Elemente des Kernnetzes in der Region Wilhelmshaven-Oldenburg einfließen lassen. Wir haben zum Beispiel kürzlich unsere Gasverbindungsleitung vom LNG-Terminal Wilhelmshaven nach Leer, GWL abgekürzt, in Betrieb genommen. Diese können wir noch vor 2030 auf Wasserstoff umstellen. All das sind Elemente des Wasserstoff-Kernnetzes.
Was Sie ansprechen, betrifft unseren Speicherstandort in Rüdersdorf, östlich von Berlin. Als Speicherbetreiber haben wir uns jetzt dem Flow-Konsortium angeschlossen, um diesen Speicherstandort als integralen Bestandteil in einer östlichen Kernnetz-Verbindung von Nordosten nach Südwesten zu entwickeln. Auch da wird es den Speicherbedarf geben, wie auch in unserer Region im Nordwesten, um Oldenburg herum. Wir glauben, dass wir in beiden Regionen einen guten Beitrag leisten können beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft.
energate: Muss man Speicher und Netze beim Wasserstoff mehr zusammendenken als beim Erdgas?
Keussen: Ich bin überzeugt, dass es dort viele Parallelen gibt. In der Anfangsphase des Wasserstoffhochlaufs ist es sicher gut, wenn man möglichst viele Teile der Wertschöpfungskette gleichzeitig im Blick hat. Das ist ein Vorteil, den wir als EWE haben, denn wir sind mit unseren Projekten entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette aktiv. Das macht uns zu einem interessanten, viel gefragten Partner, weil wir durch die gute Lage in der Region und durch unsere Vielseitigkeit die Gelegenheit haben, ein bisschen schneller zu sein als vielleicht der ein oder andere.
energate: Wie sieht es denn mit dem Zeitplan aus? Wann wollen Sie dem Markt die ersten kommerziellen Speicherkapazitäten anbieten?
Keussen: Wir haben als erstes Unternehmen eine Marktabfrage zum Speicherbedarf gemacht und waren positiv überrascht. Mehr als 30 Unternehmen haben Bedarfe in einer Größenordnung gemeldet, die den Hochlauf, den das BMWK in dieser Zeit prognostiziert hat, deutlich übertrifft. Also der Bedarf ist da, die Notwendigkeit auch.
Für uns hängt, steht und fällt es jetzt mit der Speicherregulierung. Wenn diese da ist, können wir entscheiden, wann und wie wir investieren. Wir sehen halt, dass wir bei einer Umrüstung schnell bei einem Vorlauf von drei Jahren sind. Wir müssen dabei auch darauf achten, dass wir die Erdgasversorgungssicherheit nicht gefährden. Beim Neubau sind wir durch das Genehmigungsverfahren schnell bei sechs Jahren plus. Wenn wir also im Jahr 2030 Speicher zu füllen haben, dann haben wir jetzt eine Minute vor zwölf, um die Randbedingungen festzulegen.
energate: Planen Sie denn in erster Linie, Speicher umzurüsten oder wollen Sie auch neue Kavernen solen?
Keussen: Wir denken an beides, weil die Investitionskosten nicht so gravierend unterschiedlich sind, wie man sich das vielleicht vorstellt. Ich muss auch bei der Umrüstung die Technik, die ich obertage habe, mehr oder weniger neu bauen. Deswegen prüfen wir beides.
energate: Haben Sie zum Abschluss noch einen Wunsch an die Regulierung?
Keussen: Ja, pragmatisch, schnell und klar. Das ist der Wunsch. Und dass wir eine gewisse Anschubunterstützung bekommen. Denn sonst sind die Investitionen zu groß, um in Unsicherheit und fehlende Rahmenbedingungen investieren zu können.
Die Fragen stellte Thorsten Czechanowsky.