Wien (energate) - Der Europäische Gerichtshof hat die Klage Österreichs gegen das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point C endgültig abgewiesen. Die Klage der Republik, die von Luxemburg unterstützt wurde, richtete sich vor allem gegen die geplanten Beihilfen Großbritanniens. Die EU-Kommission hat dieses Projekt vor sechs Jahren genehmigt. Daraufhin brachte Österreich Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ein. Nach einer Abweisung der Klage 2018 legte Österreich Berufung ein. Heuer im Mai wiederum empfahl am EuGH Generalanwalt Gerard Hogan, auch die zuletzt eingelegten Rechtsmittel zurückzuweisen (energate berichtete). Dieser Empfehlung ist der EuGH nun in seinem Urteil am Dienstag, den 22. September, gefolgt. "Der Gerichtshof bestätigt den Beschluss, mit dem die Kommission die britischen Beihilfen zugunsten des Kernkraftwerks Hinkley Point C genehmigt hat", so das Gericht.
EDF und chinesischer Atomriese bilden Konsortium
Geplant ist ein Atomkraftwerk mit zwei Druckwasserreaktoren vom Typ EPR mit jeweils 1.600 MW im Südwesten Englands. Das Kraftwerk soll 2023 in Betrieb gehen und 60 Jahre laufen. Zwei Drittel am Baukonsortium hält der französische Energieriese EDF, ein Drittel gehört dem Konzern China General Nuclear (CGN), der auch die atomar betriebene Flotte Chinas betreibt. Großbritannien hat den Betreibern eine staatliche Kreditgarantie bewilligt und garantiert zudem für 35 Jahre einen fixen Abnahmepreis für den Strom in Höhe von 106 Euro pro MWh. Obwohl die EU-Kommission diese Beihilfen im Jahr 2014 selbst genehmigte, bezeichnete der damalige Energiekommissar Günther Oettinger diese von London zugesagten staatlichen Garantien als "sowjetisch". Die Kosten des Baus sind von ursprünglich 20,72 Mrd. Euro inzwischen auf knapp 26 Mrd. Euro gestiegen. Trotz der zugesagten Beihilfen hat sich zuletzt der japanische Konzern Hitachi endgültig von seinen Aktivitäten im britischen Markt für Kernenergie verabschiedet (energate berichtete).
"Keine Beihilfen für eine ausgereifte Technologie"
Die geplanten Beihilfen "stehen aus österreichischer Sicht im Widerspruch zum Wettbewerbsrecht der Union", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des Umweltministeriums. Die Förderung einer Errichtung neuer AKW liege nicht im gemeinsamen Interesse der EU. Auch sei Atomkraft kein relevanter Wirtschaftszweig, sondern relevant sei der Elektrizitätsmarkt. Vor allem seien aber Betriebsbeihilfen aus österreichischer Sicht nicht zulässig. "Betriebsbeihilfen für eine ausgereifte Technologie wie die Kernenergie, die sich bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt befindet und die unter Einbeziehung aller Kosten gemäß dem Verursacherprinzip nicht rentabel ist, sind nicht zulässig", heißt es im Umweltministerium.
Österreich drängt auf Reform von Euratom
Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezeichnete die Entscheidung des EuGH als "ernüchternd". Nachdem dieser Entscheidung ein "veralteter Euratom-Vertrag" als Grundlage gedient habe, müsse Österreich nun "mit aller Kraft auf eine Reform von Euratom drängen." Dieser Punkt ist auch im aktuellen Regierungsprogramm fixiert. Dort heißt es, Mittel der EU seien "nur noch zu verwenden für die Frage der Entsorgung oder langfristigen Lagerung radioaktiver Abfälle sowie des Strahlenschutzes, der Sicherheit und des Rückbaus von Atomkraftwerken sowie der Forschung im Bereich der medizinischen Nutzung." Eine Reform des im Jahr 1957 abgeschlossenen Euratom-Vertrags ist für das Land der einzige Weg, um den Bau neuer Atomkraftwerke in Europa zu verhindern. Denn ein Austritt aus Euratom wäre "nach einhelliger Auffassung der Rechtsdienste der Republik Österreich ohne einen Austritt aus der EU gar nicht möglich", heißt es im Umweltministerium.
"Ein Präzedenzfall für neue AKW in Europa"
Österreich hat sich nach einer Volksabstimmung 1978 von der Atomkraft abgewandt. Seither gehen Österreichs Regierungen politisch und juristisch gegen den Bau neuer Atomkraftwerke in Europa vor. Ein wichtiger Faktor hinter dieser Strategie sind zahlreiche neue AKW-Projekte in Österreichs Nachbarstaaten: In Ungarn soll heuer der Bau des Atomkraftwerks Paks beginnen, in der Slowakei läuft ein Verfahren zur Inbetriebnahme neuer Blöcke am AKW Mochovce. In Tschechien hat die Regierung von Premier Andrej Babis zuletzt den Ausbau des AKW Dukovany genehmigt. Im Umweltministerium heißt es dazu: "Die Entscheidung zu Hinkley Point C schafft einen Präzedenzfall für weitere Kernkraft-Neubauten in der EU." /Peter Martens