07.05.20, 17:42

Wien/Luxemburg (energate) - Österreich droht auf europäischer Ebene mit seinem Protest gegen das neue britische Atomkraftwerk Hinkley Point C zu scheitern. Die Republik hatte am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gemeinsam mit Luxemburg dagegen geklagt, dass der milliardenschwere Bau des Atommeilers im Süden von England mit britischen Staatsbeihilfen errichtet und betrieben werden soll. Am EuGH hat Generalanwalt Gerard Hogan nun geurteilt, das Gericht solle die von Österreich eingelegten Rechtsmittel zurückweisen. Die zuvor von der EU-Kommission genehmigten Beihilfen seien rechtens. Ein endgültiges Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet. In vier von fünf Fällen folgt der EuGH den Urteilen der Generalanwaltschaft.

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In ihrer am 7. Mai veröffentlichten Begründung schreibt die Generalanwaltschaft: "Im Euratom-Vertrag ist die Entwicklung der Kernkraft ein klar definiertes Ziel des Unionsrechts, und dieses Ziel könne anderen Zielen des Unionsrechts wie etwa dem Umweltschutz nicht untergeordnet sein." In dem Vertrag finde sich auch "keine Regelung über staatliche Beihilfen". Diese von Großbritannien garantierten und von der EU-Kommission genehmigten Beihilfen mit britischem Steuergeld sind der zentrale Kritikpunkt der Republik. Außerdem hatte auf österreichischer Seite federführend das Wirtschaftsministerium und das Kanzleramt argumentiert, der seit 1957 geltende Euratom-Vertrag beinhalte weder Vorgaben zum Bau neuer Atomkraftwerke noch deren Ersetzung durch aktuellere atomare Technologien.

Wien positioniert sich seit Jahren gegen neue AKW in Europa

Österreichs Regierungen gehen seit vielen Jahren politisch und juristisch gegen den Bau neuer Atomkraftwerke in Europa vor. Auch das aktuelle Regierungsprogramm beinhaltet ausdrücklich die Forderung nach einer Reform des Euratom-Vertrags. Entsprechend hart reagierten heimische Politiker auf die Position des Generalanwalts. Die Milliardensubventionen für Hinkely Point "gehen völlig in die falsche Richtung", das Endlagerproblem bei der Atomkraft sei nicht ansatzweise gelöst, so Angelika Winzig, ÖVP-Delegationsleiterin im Europaparlament. Der grüne EU-Abgeordnete und Ko-Vorsitzende der europäischen Grünen, Thomas Waitz, meinte dazu: "Die Hochrisikotechnologie Atomkraft ist nicht nur komplett veraltet, sondern teuer und unrentabel." Der SPÖ-Umweltsprecher im Europaparlament, Günther Sidl, forderte eine sofortige Änderung des Jahrzehnte alten Euratom-Vertrags.

106 Euro pro MWh

Der Prozess gegen Hinkley Point kam ins Rollen, als die EU-Kommission 2014 die Beihilfen Großbritanniens genehmigt hat. Geplant war damals der Bau von zwei Druckwasserreaktoren vom Typ EPR mit jeweils 1.600 MW im Südwesten Englands. Die Kosten von ursprünglich 20,72 Mrd. Euro sind inzwischen auf knapp 26 Mrd. Euro gestiegen. Die britische Regierung hatte damals für den Strom aus diesem AKW einen Abnahmepreis von 106 Euro pro MWh garantiert, und zwar für 35 Jahre. Obwohl die EU-Kommission diese Beihilfen genehmigte, bezeichnete selbst der damalige Energiekommissar Günther Oettinger diese Pläne als "sowjetisch".

Signalwirkung für Projekte in Osteuropa

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"Hier werden endlose Mengen von Steuergeld versenkt", sagt Reinhard Uhrig, Atomenergieexperte der Umweltorganisation Global 2000. Österreich wehre sich auch deshalb so vehement dagegen, weil Hinkley Point eine Signalwirkung in ganz Europa habe: "England tritt zwar nächstes Jahr endgültig aus der EU aus, aber hier wurde ein weiterhin gültiger Präzedenzfall geschaffen", so Uhrig mit Verweis auf laufende Projekte bei Österreichs östlichen Nachbarn.

Davon gibt es mehrere. So soll noch dieses Jahr in Ungarn der Bau des Atomkraftwerks Paks beginnen, errichtet vom russischen Staatskonzern Rosatom und finanziert mit einem russischen Kredit in Höhe von 14 Mrd. Euro. Auch gegen dieses Projekt hat Österreich geklagt, allerdings vor dem Europäischen Gericht (EuG), weil es hier nicht um Beihilfen geht, sondern um eine nicht stattgefundene Ausschreibung bei der direkten Auftragsvergabe an Rosatom. In der Slowakei läuft gerade das Verfahren zur Inbetriebnahme neuer Blöcke am AKW Mochovce. Und in Tschechien betonte Premier Andrej Babis zuletzt in seiner Neujahrsansprache: "Wir müssen in Atomenergie investieren, ob es unseren südlichen Nachbarn gefällt oder nicht." Zuletzt hat Prag den Ausbau des AKW Dukovany gebilligt. Ende Mai will die tschechische Regierung der EU einen Finanzierungsplan vorlegen.

Größtes Problem der Atomkraft: der Preis

Gerade das tschechische AKW Dukovany veranschaulicht allerdings auch das größte Problem der Atomkraft: Sie ist zu teuer. So hat der teilstaatliche tschechische Energiekonzern CEZ die Planungen an Dukovany wiederholt abgebrochen, und zwar ausdrücklich, weil staatliche Garantien für Mindeststrompreise gefehlt haben - ohne die der Betrieb eines AKW sich heute nicht mehr rechnet. Das bestätigt auch das Urteil des Generalanwalts Hogan zu Hinkley Point. Wörtlich heißt es da: "Der Markt war entweder nicht willens oder sogar nicht in der Lage, das Vorhaben Hinkley Point C ohne die vom Vereinigten Königreich gewährten Garantien oder Beihilfen anderer Art zu finanzieren."

Chinas Staatsriese federführend beteiligt

Brisant ist der milliardenschwere britische Bau auch aus einem ganz anderen Grund: zwei Drittel am Baukonsortium dahinter stellt der französische Energieriese EDF, ein Drittel der Konzern China General Nuclear (CGN). "Das ist der staatliche Erbauer der chinesischen Atombombe und der Betreiber der atomar betriebenen chinesischen Atomflotte. Warum sich ein souveräner westlicher Staat wie Großbritannien auf die Dienste eines solchen Akteurs einlässt, ist vollkommen unverständlich", sagt Global-2000-Experte Reinhard Uhrig. /Peter Martens