Nachtspeicherheizungen flexibel steuern | emw Artikel

Von Hans-Martin Struck, Portfoliomanager bei der Rheinenergie

Die Frage, wie man die Flexibilitäten im Massenkundensegment markt- und netzdienlich nutzen kann, beschäftig derzeit viele Unternehmen im Markt. Die Kölner RheinEnergie untersucht derzeit im Rahmen eines Pilotprojektes, wie Nachtspeicherheizungen zu ihrer Beantwortung beitragen können: Etwa 100 dieser elektrischen Heizungen sollen im Rahmen des Projekts „Virtueller WärmeStromPool“ in das Virtuelle Kraftwerk der Rhein- Energie eingebunden werden. Das dazu nötige Management der lokalen Systeme übernimmt die Berliner Gwadriga.

Das Virtuelle Kraftwerk der Rheinenergie bündelt den Strom zahlreicher Erzeuger und steuert deren Lastflüsse optimal aus. Etwa dann, wenn im Markt kurzfristig eine erhöhte Energienachfrage oder ein -überschuss besteht. Auch steuerbare Lasten eignen sich für den Einsatz in einem Virtuellen Kraftwerk. So können Abschaltungen bei Wind- und PV-Anlagen vermieden werden. Der Einsatz von Nachtspeicherheizungen als steuerbare Last und die Verschiebung der Ladezeiten auf Phasen mit hoher regenerativer Erzeugung soll dabei helfen, die vorhandenen Flexibilitätspotenziale auszunutzen, und gleichzeitig die CO2-Bilanz der Nachtspeicherheizungen zu verbessern. Dieses Projekt ist ein erster Schritt zur Nutzung von Flexibilität bei Haushaltskunden. Dabei geht es auch darum, wertvolle Erkenntnisse für andere Segmente im Massenkundenmarkt zu gewinnen, in denen ein Feldtest unter den derzeitigen Rahmenbedingungen noch nicht möglich ist. Dazu gehört die Elektromobilität ebenso wie die vielen privaten PV-Anlagen oder Wärmepumpen.

Auch wenn die Zahl der Nachtspeicherheizungen in den vergangenen Jahren stetig abgenommen hat, ist das Potenzial nach wie vor groß. Allein in Köln gibt es derzeit noch rund 20.000 entsprechende Verträge. Offensichtlich werden davon nicht mehr alle tatsächlich noch zum Heizen genutzt, wie ein Blick auf die Jahresverbräuche verrät. Aber selbst wenn wir die Kunden mit einem Verbrauch von unter 2.000 kWh pro Jahr ausschließen, bleibt eine hohe vierstellige Zahl übrig.

Integrierte Prozesse
Für die Steuerung der Nachtspeicherheizungen wird der CLS-Kanal der neuen Smart-Meter-Gateways eingesetzt. Über diese ist die lokale Steuerung möglich. Für das Management dieser „Controllable Local Systems“, kurz CLS, ist die Berliner Gwadriga verantwortlich. Um die Nachtspeicherheizungen aktiv steuern zu können, sollen die entsprechenden Steuerboxen im Rahmen des Projektes parallel zum Einbau der intelligenten Messsysteme ausgerollt werden. Damit wird gleichzeitig die Umstellung der herkömmlichen Rundsteuersignale auf moderne Fernwirktechnik erprobt. Diese ermöglicht eine flexible und individuelle Anlagensteuerung im Viertelstunden-Takt des Intraday-Marktes. In der Umsetzungsphase wurde zunächst die erforderliche Software in die IT-Landschaft des Smart-Meter-Gateway-Administrators Gwadriga integriert. Anschließend erfolgte die Koppelung mit dem auslösenden System, welches mit dem Virtuellen Kraftwerk interagiert. Für die Optimierung werden neben den abrechnungsrelevanten Messwerten auch höher aufgelöste Messwerte an die Systeme bereitgestellt. In einem weiteren Schritt baute Gwadriga im eigenen Haus eine Laborumgebung auf, um die Schaltprozesse über das Smart-Meter-Gateway und die dazugehörige Steuerbox abzubilden. Ergänzend dazu implementierte sie auf Seiten der Rheinenergie ein entsprechendes Pendant und testete dieses ebenfalls ausführlich. Auf diese Weise steht nun eine sichere Endezu- Ende-Verbindung der Feldtechnik mit dem Virtuellen Kraftwerk zur Verfügung. Der Pilottest selbst sollte bereits Ende 2018 starten. Nachdem sich die Zertifizierung der Gateways immer wieder verzögerte, starteten die Unternehmen zunächst mit nichtzertifizierten Geräten. So konnten sie Anfang 2019 die ersten Nachtspeicherheizungen anbinden.

Nachtspeicher ist nicht gleich Nachtspeicher
Im Markt gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Heizungstypen: Beim einen wird über den Nachtspeicher eine Fußbodenheizung bedient, die mit Strahlungswärme arbeitet. Das bedeutet: Morgens ist es sehr warm und die Heizung kühlt bis zum Abend aus, wenn sie nicht ‚nachgeladen‘ wird – was meist über einen fixen Zeitraum am frühen Nachmittag geschieht. Beim klassischen Nachtspeicherofen wird die Wärme dagegen gezielt und dosiert mittels eines Ventilators in den Raum abgegeben. Letzterer bietet dadurch viel genauere Steuerungsmöglichkeiten als eine undifferenzierte Flächenheizung. Künftig kann der Versorger beispielsweise tagsüber genau die Intervalle des Intraday-Markts nutzen, in denen günstiger Strom zur Verfügung steht, ohne dass für den Kunden Komforteinbußen entstehen.

In der ersten Projektphase konzentrierte sich das Team deswegen zunächst auf den zweiten Typ – sowie auf Pilotkunden in Einfamilienhäusern, in denen die Entscheidung für eine Teilnahme am Projekt nicht durch komplizierte Eigentümerverhältnisse erschwert wird. Zu Beginn wurde die Übermittlung von Messdaten eingerichtet, ohne dass gleich steuernd eingegriffen werden sollte. Es ging zunächst darum, die tatsächliche Situation vor Ort zu erfassen, um so eine belastbare Datenbasis zu gewinnen, auf der man sinnvoll steuern kann. Eine überraschende Erkenntnis war dabei, dass bei einem Teil der Anlagen Werte gemessen wurden, die so nicht hätten sein dürfen. Diese Heizungen laden beispielsweise nicht wie vorgesehen ausschließlich in der Nacht, sondern zum Teil auch tagsüber. Bei diesen Kunden hätte der Versorger zunächst die Technik korrigieren müssen, um sie ins Projekt aufzunehmen zu können.

Doch gerade auch um solche Lerneffekte geht es beim Projekt „Virtueller WärmeStromPool“, das mit Mitteln aus dem Klimaschutzwettbewerb „VirtuelleKraftwerke. NRW“ gefördert wird und noch bis März 2020 läuft. Wenn tatsächlich Flexibilitäten auch im Massenmarkt genutzt werden sollen, muss man am Ende zu Standard-Verfahren kommen, damit die entsprechenden Einrichtungen plug-andplay angebunden werden können. Dazu müssen die Betreiber aber zunächst einmal wissen, wie die tatsächliche Situation vor Ort ist und welche Einrichtungen hier die besten Möglichkeiten bieten.

Im nächsten Schritt steht deswegen nun die Nutzung des CLS-Managements unter Produktivbedingungen an. Zum Einsatz kommen dabei zunächst Steuerboxen von Theben. Anschließen wollen die die beiden Partnerunternehmen weitere zukunftssichere und flexible CLS-basierte Anwendungsfälle aufbauen sowie perspektivisch die Rundsteuertechnik mit BSIkonformen Technologien ersetzen.

Fazit
Die ursprüngliche Idee der Nachtspeicherheizungen ist durchaus gut: Strom dann zu nutzen, wenn er nicht für andere Anwendungen benötigt wird. Auch heute lässt sich diese Idee wieder aufgreifen und der Einsatz der Nachtspeicher an die aktuellen Rahmenbedingungen des Energiemarkts anpassen. Dazu bedarf es modernster, zukunftsfähiger Technik, welche die individuelle Steuerung einer Kundenanlage zulässt. So lässt sich das Feld einer massenkundentauglichen Laststeuerung erschließen. Bei einer Einführung entsprechender Flexibilitätsprodukte können sich Endkunden mit Stromheizungen somit aktiv an der Umsetzung der Energiewende beteiligen.

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