12.02.24, 14:32 von Irene Mayer-Kilani
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Wien (energate) - Der Anteil von russischem Erdgas am österreichischen Energiemix ist nach wie vor zu hoch. "Während der Anteil ab Sommer 2022 über einen längeren Zeitraum deutlich gesunken ist, beobachten wir in den letzten Monaten wieder einen Anstieg", teilte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei einem Pressegespräch im Klimaschutzministerium mit. Im Dezember 2023 lag der Anteil nach Angaben des Ministeriums bei 98 Prozent. Das sei ein "absoluter Spitzenwert" seit Beginn des Ukraine-Krieges. 

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Die Ministerin hat ein Maßnahmenpaket zur Verringerung der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen vorgestellt. Das Ministerium arbeite derzeit an einem Gesetz für eine diversere Gasbeschaffung. Für eine gesetzliche Verpflichtung ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich, für die Gewessler in den nächsten Wochen werben will. "Wir sehen derzeit ein klares Marktversagen. Es gibt genug nichtrussisches Erdgas, aber die Energieunternehmen kaufen es nicht. Wenn der Markt versagt, muss der Staat eingreifen", so Gewessler.

Diversifizierungspflicht 

Gasversorger sollten im Gaswirtschaftsgesetz verpflichtet werden, den Ausfall der größten einzelnen Bezugsquelle durch andere Bezugsquellen ausgleichen zu können, fordert die Ministerin. Das heißt, der Ausfall des größten Lieferanten muss jederzeit durch andere Lieferverträge kompensiert werden können. Damit würden für alle Marktteilnehmer die gleichen Regeln gelten. Zudem würden Anbieter, die sich bereits heute absichern, nicht mehr benachteiligt.

Darüber hinaus müssten die Gasversorger einen schrittweise steigenden Anteil nichtrussischen Erdgases nachweisen, fordert Gewessler. Der Nachweis, dass es sich um nichtrussisches Gas handelt, könnte zum Beispiel durch die Beschaffung über die gemeinsame EU-Einkaufsplattform Aggregate EU erbracht werden. Die Akteure am liberalisierten Gasmarkt würden zu "geringe Anstrengungen unternehmen, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren", kritisiert Gewessler.

Ausstieg aus Gazprom-Verträgen

Laut Einschätzung der Energieministerin waren die 2018 abgeschlossenen Gaslieferverträge mit Russland, die bis 2040 laufen, "ein großer Fehler mit schwerwiegenden Folgen". Sie will daher "alle Möglichkeiten prüfen, um aus dem Knebelvertrag zwischen OMV und Gazprom auszusteigen, der fixe Abnahmeverpflichtungen ('Take-or-Pay') für russisches Erdgas vorsieht". Auch wenn kein russisches Gas abgenommen werde, müsse bezahlt werden. Bereits 2022 hätte der russische Gasproduzent seine Lieferungen reduziert.

"Durch diese Knebelverträge kommt es bei insgesamt sinkendem Gasverbrauch und gleichbleibenden Importmengen zu einem höheren Anteil an russischem Erdgas", betont Gewessler. Der heimische Gasverbrauch sei von 100,3 TWh im Jahr 2021 auf 75,6 TWh im Jahr 2023 um ein Viertel gesunken.

Neue Sicherheitsstrategie

Mit dem Auslaufen des Transitvertrages über die Ukraine Ende 2024 bestehe die Gefahr, dass Russland die Gaslieferungen als Waffe einsetze und nicht im vereinbarten Umfang liefere, warnt die Ministerin. Das Klimaschutzministerium beauftragte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) mit einer Analyse zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Vertragskündigung.

Eine neue Sicherheitsstrategie muss die unabhängige Energieversorgung entsprechend berücksichtigen, fordert Gewessler. Das betreffe die vollständige Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen bis 2027/28 genauso wie die künftige Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten von anderen Ländern. /imk

Portrait von Irene Mayer-Kilani
Irene Mayer-Kilani
Redakteurin

Ich berichte seit Februar 2020 für energate über den Energiemarkt in Österreich. Zuvor war ich viele Jahre Italien-Korrespondentin für eine österreichische Tageszeitung.

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