Brüssel (energate) - Als kurzfristige Notfallintervention auf dem Strommarkt will die EU-Kommission die Verbräuche senken und die Gewinne von günstigen Kraftwerken deckeln. Dies geht aus einem nicht-offiziellen Dokument (Non-Paper) der Kommission hervor, das energate vorliegt. Demnach will die EU die rasant steigenden Strompreise durch Stromsparen nach dem Vorbild des Gasnotfallplans im Zaun halten. Der Gasnotfallplan sieht eine Reduzierung der Gasnachfrage in den EU-Mitgliedstaaten um 15 Prozent vor (energate berichtete).
Geplant sind zudem eine Preisgrenze für "inframarginale" Stromerzeugungstechnologien im Stromgroßhandel und regulierte Strompreise im Stromeinzelhandel. Die gewünschte Wirkung könne nur erzielt werden, wenn alle drei Maßnahmen ergriffen würden, heißt es in dem 23-seitigen Dokument. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte entsprechende Vorschläge zuvor angekündigt (energate berichtete).
Gaspreiseinfluss minimieren
Ziel des jetzt geplanten Eingriffes sei es, mit einem Notfallinstrument "den überbordenden Einfluss" des teuren Gases auf die Strompreisbildung zu reduzieren, bekräftigte von der Leyen im "ZDF". Bei anderen Energieformen soll dafür gesorgt werden, dass die Tatsache, dass sie günstiger produziert werden, bei den Verbrauchern ankommt. "Das heißt, einen Teil der Gewinne, mit denen die Stromerzeuger niemals gerechnet haben, werden wir abschöpfen und dazu nehmen, dass sie vor allem für einkommensschwache Haushalte und Unternehmen zur Verfügung gestellt werden", sagte sie.
Von einer Preisgrenze für "inframarginale" Stromerzeugungstechnologien wären alle Stromerzeuger betroffen, die niedrigere Betriebskosten als Gaskraftwerke haben. Damit würde ihre Rendite vom aktuellen Strompreis abgekoppelt. Inframarginale Anbieter sind solche, deren kurzfristige Grenzkosten unterhalb des sich ergebenden Marktpreises liegen. Das trifft etwa für Wind- oder Atomstromerzeuger zu. Sie erwirtschaften positive Deckungsbeiträge und erzielen davon umso mehr, je kleiner das Stromangebot beziehungsweise je höher die Stromnachfrage ist. Deshalb hält die EU-Kommission es auch für sinnvoll, die Nachfrage zu reduzieren.
Deutscher Atomausstieg eine der Ursachen
Das Stromangebot an den Strombörsen sei derzeit knapp, weil aktuell viele französische Kernkraftwerke ausfallen und aufgrund niedriger Wasserstände weniger Wasserkraft zur Verfügung steht. Außerdem steht in Deutschland nach der Abschaltung von drei Atommeilern Ende 2021 zum Ende des Jahres - nach aktuellem Stand - der finale Atomausstieg an. Auch könne Kraftwerkskohle wegen niedrigen Flusswasserständen nicht zu den Kraftwerken gelangen. Die EU stecke nicht nur in einer Gas-, sondern auch in einer Strommarktkrise, rechtfertigt die EU-Kommission die Notfallintervention am Strommarkt. Ende nächster Woche solle der Notfallplan beim Treffen der EU-Energieminister beraten und danach ein Gesetzesvorschlag vorgelegt werden. Für Vorschläge für eine grundlegende Reform des Strommarktdesigns will sich die Kommission bis Anfang 2023 Zeit nehmen.
CDU/CSU: Gas aus Strompreisbildung herausnehmen
Auch CDU/CSU werben für eine Reform des Strommarktdesign. Ein Markdesign, dass sich an der teuersten erzeugten Kilowattstunde orientiert, werde durch kriegsbedingte Gaspreise verzerrt, heißt es in einem Papier für eine Klausur der Fraktionsspitze der Union im Bundestag. Diese krisenbedingte Verzerrung gelte es zu korrigieren. "Wir wollen die Gasverstromung aus der Strompreisbildung herauslösen", schreiben CDU und CSU. Auch ein Deckel für Großhandelspreise sei möglich.
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) begrüßte den Vorstoß der EU-Kommission. "Der Plan der EU-Kommission ist ein kluger Schritt in die richtige Richtung. Er vermeidet Eingriffe in die Preisbildung und sorgt gleichzeitig dafür, dass kriegsbedingte Anomalien bei den Renditen der Produzenten abgeschöpft und für Maßnahmen zur Krisenbewältigung genutzt werden können", sagte Dena-Chef Andreas Kuhlmann. Es sei dabei gut, dass die EU-Kommission keine Eingriffe in die Preisbildung vornehmen möchte. /rl/ck/kw