25.02.22, 13:39 von Rouben Bathke

Pforzheim (energate) - Ein weiterer Grundversorger hat vor Gericht eine Schlappe hinsichtlich der sogenannten Tarifspaltung hinnehmen müssen. Das Landgericht Mannheim hat den Stadtwerken Pforzheim die Einführung eines zweiten Grundversorgungstarifs für Neukunden untersagt. Das räumte das kommunale Unternehmen in einer Mitteilung ein, betonte aber zugleich, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Die Stadtwerke prüfen nach eigenen Angaben nun, ob sie Rechtsmittel einlegen, "da es sich hier um eine rechtlich hochumstrittene Fragestellung handelt". Zuvor hatte ein Frankfurter Gericht dem Versorger Mainova in einem ähnlichen Fall die Praxis der Tarifspaltung untersagt (energate berichtete). 

"Preiswucher auf Kosten der Verbraucher"

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In beiden Fällen hatte der Ökostromanbieter Lichtblick das Verfahren angestrengt. Entsprechend zufrieden zeigte sich der Wettbewerber nun nach dem zweiten Urteil zu seinen Gunsten. "Die Stadtwerke betreiben Preiswucher auf Kosten der Verbraucher*innen und nutzen eine Notlage aus", warf Chefjurist Markus Adam den Grundversorgern vor. Ein Preis von 1,08 Euro/kWh, wie ihn die Stadtwerke Pforzheim zwischenzeitlich verlangt hatten, sei durch nichts zu rechtfertigen, "auch nicht durch die hohen Einkaufspreise für Strom". Nach Angaben von Lichtblick haben "hunderte Stadtwerke" inzwischen eine Tarifspaltung in der Grundversorgung eingeführt.

Der Hamburger Ökostromanbieter sieht darin einen Missbrauch der "ohnehin lukrativen Marktstellung als regionale Monopolisten und Grundversorger". Es sei höchste Zeit, "die Grund- und Ersatzversorgung wettbewerblich zu organisieren", fordert Lichtblick-Jurist Adam. Das Unternehmen verwies zudem darauf, dass in der Sache auch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg gegen die Stadtwerke Pforzheim ermittele. Der Kommunalversorger hatte nach eigenen Darstellungen aufgrund der Lieferstopps einiger Wettbewerber eine vierstellige Zahl an Neukunden in die Ersatz- beziehungsweise Grundversorgung aufgenommen. Da die Nachbeschaffung der Energiemengen das Unternehmen teuer zu stehen kam, führten die Stadtwerke einen zweiten, deutlich höheren Grundversorgungstarif für Neukunden ein.

Tarifspaltung "nicht grundsätzlich unzulässig"

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Auch der Stadtwerkeverband VKU schaltete sich in die Debatte ein. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing betonte in einem Statement, das Mannheimer Gericht habe mit seinem Urteil gespaltene Grundversorgungstarife nicht grundsätzlich als unzulässig bewertet, sondern lediglich in diesem konkreten Fall als "nicht gerechtfertigt". Andere Gerichte hätten hingegen die Praxis der Tarifspaltung in den letzten Monaten bestätigt. "Das Untersagen der Aufspaltung der Grundversorgungstarife führt am Ende dazu, dass sämtliche Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung höhere Preise tragen müssen", gab Liebing zu bedenken. Damit müssten alle Kunden die Konsequenzen dafür tragen, "dass einige Billiganbieter über Nacht die Belieferung ihrer Kunden eingestellt haben". /rb

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Rouben Bathke
Redakteur

Seit 2011 bin ich Teil der energate-Redaktion. Für den energate messenger habe ich insbesondere im Blick, was die Unternehmen der Energiewirtschaft so treiben - vom börsennotierten Großkonzern bis zum Provinz-Stadtwerk.

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