25.03.24, 10:09
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Berlin (energate) - Der nationale Emissionshandel umfasst die Sektoren Gebäude und Verkehr und hat 2023 eine Rekordsumme in den deutschen Haushalt gespült. energate sprach mit Philipp Heilmann, Head of Business Development von Emissionshändler.com, über mühsame Berichtspflichten für Mittelständler und seinen Blick auf die kommenden Jahre.

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energate:  Herr Heilmann, wie viele Unternehmen betreuen Sie im nationalen Emissionshandel?

Heilmann: Wir arbeiten inzwischen für etwa 60 bis 70 Unternehmen im Bereich des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in unterschiedlichsten Dienstleistungstiefen. Darunter sind auch Konzerne, der Fokus liegt im BEHG aber auf kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das BEHG betrifft durchaus viele davon. Neben Unternehmen, die sich frühzeitig mit neuen gesetzlichen Anforderungen auseinandersetzen, bekommen wir immer wieder Nachzügler als Neukunden hinzu, die eigentlich schon länger verpflichtet gewesen wären, aber aufgrund ihrer kleinen Unternehmensgröße die Information nicht erhalten haben. Meist fehlt eine Abteilung, die sich um neue regulatorische Anforderungen wie den Emissionshandel kümmern kann oder es besteht noch nicht einmal eine Verbandszugehörigkeit.

energate: Welche Aufgaben übernehmen Sie im Auftrag des Kunden?

Heilmann: Wir übernehmen das Onboarding in die Registerkonten, die Berichterstattung und auch den Zertifikateeinkauf für die Unternehmen. Das ist zwar nicht in allen Fällen so kompliziert, aber allein, dass die Mittelständler eine zusätzliche Aufgabe mit dieser Tragweite stemmen müssen, ist aus Mangel an Personal und Know-how schon problematisch. Es ist nicht immer einfach zu verstehen, wer genau in der Lieferkette betroffen ist und wer was auf die Rechnung des Kunden schreibt. Das Problem trat schon im Jahr 2021 bei der Flüssiggaslieferkette auf, wo es eine Handvoll große Händler gibt, die viele kleinere beliefern. Bei der Kohle wiederholt sich das Ganze. Hier sind jetzt oft auch die kleinen Händler oder gar Verwender unwissentlich verpflichtet. Konzerne entscheiden sich dagegen eher nicht aus Personalmangel, sondern wegen der höheren Effizienz, Sicherheit und des Haftungsrisikos für einen Dienstleister.

energate: Wie sieht es mit Biomasse und der Müllverbrennung aus, die zuletzt hinzugekommen sind? 

Heilmann: Die biogenen Brennstoffe sind seit dem 1. Januar 2023 in der Berichtspflicht, seit Anfang dieses Jahres kommt auch noch die Müllverbrennung hinzu. Auch hier haben wir einige Neukunden gewonnen. Den Überwachungsplan mussten die Unternehmen bereits 2023 einreichen, den ersten Emissionsbericht aber erst im Jahr 2025 abgeben. Bei der Müllverbrennung hängt die Betroffenheit von der BImSch-Genehmigung ab. Und auch hier wird es perspektivisch zu Anpassungen kommen. Die Müllverbrennung der Siedlungsabfälle soll in den bestehenden EU-ETS 1 hinein, alle anderen nEHS-Betroffenen später in den EU-ETS 2. Also gibt es ab dem nächsten Jahr zum Ärger der Unternehmen für einige eine doppelte Berichtspflicht.

energate: Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) hat angekündigt, dass sie den Prozess möglichst einheitlich gestalten will, sodass der Aufwand nicht groß steigt. 

Heilmann: Ende April soll der EU-ETS-2-Bericht fertig sein, Ende Juli der Bericht gemäß nEHS. Da unter anderem die Steueranmeldung für Gas traditionell nur einmal jährlich zum 31. Mai stattfindet oder die Quotenanmeldungen bei Mineralölhändlern jährlich zum 15. April, beides elementare Grundlagen des Emissionsberichts, sehen wir allein bei der Frist große Probleme und eine administrative Überlastung für die Unternehmen. Noch fehlt aber die gesetzliche Grundlage, weswegen wir hoffen, dass die DEHSt in Verbindung mit Interessenvertretungen Einfluss geltend machen kann, um das abzuwenden.  

energate: Der nationale Emissionshandel erzielte 2023 einen Rekordgewinn von 10,7 Mrd. Euro, sodass erstmals der europäische Emissionshandel übertroffen wurde. War das eine Überraschung?

Heilmann: Nein, für uns nicht. Abweichend vom ursprünglichen Plan wurde wegen der Energiekrise 2022 und 2023 der gleiche Preis mit 30 Euro pro Tonne eingezogen. Es ist also eine direkte Folge aus den geringeren Einnahmen im Jahr 2022. Das lag daran, dass niemand im Jahr 2022 aus wirtschaftlichen Gründen zwingend kaufen musste. Denn die Abgabe musste erst zum Stichtag 30. September 2023 erfolgen, einen Preisnachteil beim verspäteten Kauf gab es nicht. Also konnte ein Unternehmen beispielsweise noch im August 2023 den gesamten Bedarf für das Vorjahr eindecken und dann später im November, Dezember den ganzen 2023-Bedarf. Man wollte die Bürger entlasten. Das war verständlich und da war der CO2-Preis das einfachste Mittel. Aber dass dadurch eine eklatante Haushaltsverschiebung folgen könnte, das haben die wenigsten gesehen.

energate:  Wie sieht Ihre Prognose für dieses Jahr aus? 

Heilmann: Da die Anzahl der Neuverpflichteten steigt und CO2-intensive Branchen aus der Kohle hinzukommen, werden auch steigende CO2-Preise die Einnahmen im Vergleich zu 2021 und 2022 spürbar erhöhen. Zudem sehen wir in den Bereichen Gebäude und Verkehr bisher noch keine relevanten Reduktionen. Natürlich werden auch im Verkehr fossile Emissionen eingespart, aber nicht in dem Maße, in dem neue Brennstoffe BEHG-pflichtig werden. Das heißt, das nEHS wird weiterhin große Einnahmen für den Haushalt generieren, auch wenn das Niveau von 2023 wegen des beschriebenen Sondereffektes wahrscheinlich in diesem Jahr nicht erneut erreicht wird.

energate: 2027 soll nach den Plänen der DEHSt der nEHS durch den EU-ETS 2 abgelöst werden. Wie fällt ihr Blick auf den Systemwechsel aus und erwarten Sie wie die DEHSt Preise im hohen zweistelligen oder gar dreistelligen Bereich?

Heilmann: Mit Blick auf hohe zwei- oder gar dreistellige Preise im Jahr 2027 bin ich skeptisch. Man darf nicht vergessen, dass der EU-ETS 2 in vielen Ländern kein nationales System ablöst, sondern Brennstoffe dort erstmalig mit einem CO2-Preis versehen werden. Deshalb ist im Marktstabilitätsmechanismus des EU-ETS 2 jetzt schon festgelegt, dass bis 2029 spätestens ab einem Preis von 45 Euro/t verpflichtend eine zusätzliche Zahl an Zertifikaten emittiert wird. Damit sollte zumindest bis ins Jahr 2029 ein Preisanstieg begrenzt werden. Ich sehe also durchaus die Gefahr, dass Deutschland erstmal durch den Wechsel vom nEHS in den EU-ETS 2 Staatseinnahmen aus dem Emissionshandel einbüßen wird, da der CO2-Preis im nEHS im Jahr 2026 bei bis zu 65 Euro pro t CO2 liegen kann. Das hätte dann natürlich den positiven Nebeneffekt, dass die deutsche Wirtschaft und deutsche Haushalte durch den Systemwechsel eine Entlastung erfahren würden.

Die Fragen stellte Michaela Tix.