06.09.23, 16:38 von Michael Hahn

Berlin (energate) - Mehrere Unternehmen warnen davor, dass der nationale Wasserstoffhochlauf gefährdet ist. Grund sind verzögerte Genehmigungen der sogenannten IPCEI-Projekte (Important Project of Common European Interest) durch die EU-Kommission. Weil laut aktuellem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) die 20-jährige Netzentgeltbefreiung von Elektrolyseuren nur für Anlagen gilt, die bis 2026 in Betrieb gehen, sehen die Akteure die Wirtschaftlichkeit ihrer Vorhaben gefährdet.

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Wegen der fehlenden Förderzusage könnte der Termin für viele der Projekte nicht mehr zu halten sein, argumentieren die betroffenen elf Unternehmen, darunter EWE, die Hamburger Energiewerke, RWE, EnBW und Linde. Das nationale Zubauziel von 10 GW Elektrolysekapazität für Wasserstoff bis 2030 werde dadurch gefährdet.

Zuständigkeitsproblem zwischen Netzagentur und BMWK

Deshalb müsse die Frist für die Netzentgeltbefreiung um zwei Jahre bis 2028 verlängert werden, forderten EWE-Technikvorstand Urban Keussen und Christian Heine, Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke, bei einem Pressegespräch in Berlin. Allerdings gebe es an der Stelle ein Zuständigkeitsproblem: Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) sieht die Bundesnetzagentur (BNetzA) in der Verantwortung. Grund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus 2021, wonach Regulierungsbehörden im Kernbereich der Netzregulierung keiner Einflussnahme unterliegen dürfen (energate berichtete). Die Regulierungskompetenzen gehen jedoch erst 2028 auf die BNetzA über, weshalb diese laut Keussen auf den Gesetzgeber als zuständige Stelle verweist.

Die Unternehmen sehen ebenfalls die Politik in der Pflicht. Der Bundestag könne die Frist im EnWG verlängern, dafür müsste nur eine Zeile geändert werden, sagte Heine. Der Bundesrat und die nördlichen Bundesländer hätten sich ebenfalls für die Fristverlängerung ausgesprochen. Die Unternehmen hoffen nun auf den Wirtschaftsausschuss, der in zwei Wochen tagen will. "Ich appelliere an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Unterstützen Sie den Impuls aus dem Bundesrat und retten Sie so den nationalen Wasserstoffhochlauf", erklärte Heine.

Keussen bezeichnete es als "bitter", dass die Netzagentur und das Wirtschaftsministerium an der Stelle Ping Pong spielen würden. "Wenn sich die beiden nicht einigen, müssen wir überlegen, von der Investition Abstand zu nehmen", so Keussen. Laut Heine haben die Hamburger Energiewerke bereits einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag für die Vorarbeiten des Projektes "Hamburg Green Hydrogen Hub" ausgegeben. Das Geld könnte im schlimmsten Fall verloren sein.

33 Mrd. Euro Investitionsvolumen blockiert

Insgesamt sei ein Investitionsvolumen in die IPCEI-Projekte in Höhe von 33 Mrd. Euro durch die bereits seit zwei Jahren überfällige EU-Freigabe blockiert, erklärte Keussen. Bei EWE belaufe sich der Betrag auf 700 Mio. Euro. "Weil die Investitionszusage fehlt, können wir die für die Anlagen nötigen Bestellungen nicht auslösen. Voraussetzung für die Investitionen ist die Freigabe aus Brüssel, die hoffentlich noch in diesem Jahr erfolgt", sagte er. Die aktuelle Situation erschwere zudem Vorverhandlungen mit Kunden über die Abnahme von grünem Wasserstoff.

Würden die Projekte nicht von den Netzentgelten befreit, verteuere sich der Wasserstoff daraus um circa 30 Prozent. Der heimisch erzeugte Wasserstoff müsse jedoch wettbewerbsfähig gegenüber Importen sein. Mit den betroffenen Anlagen könnten unter anderem Stahlwerke mit dem Energieträger versorgt werden. Ist dieser zu teuer, würden die Unternehmen womöglich abwandern.

EWE plant bis zu 400 MW Elektrolysekapazität

Erst Ende August teilte EWE mit, den Stahlproduzenten Georgsmarienhütte mit grünem Wasserstoff beliefern zu wollen. Insgesamt plant der Versorger im Rahmen des IPCEI-Projektes "Clean Hydrogen Coastline" den Aufbau von Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff von bis zu 400 MW an verschiedenen Standorten in Norddeutschland bis 2026 (energate berichtete). Für die Umsetzung des Millionen-Projektes seien ein passender regulatorischer Rahmen und eine Fördergenehmigung durch die EU-Kommission nötig, so Keussen.

Auch das RWE-Projekt "Get H2 Nukleus" wartet noch auf grünes Licht aus Brüssel. Das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg hat aber zumindest die Errichtung und den Betrieb der ersten beiden 100-MW-Elektrolyseure genehmigt (energate berichtete). /mh

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Michael Hahn
Redakteur

Ich bin seit Juni 2023 Redakteur im Berliner Büro von energate. Dort beschäftige ich mich neben allen politischen Themen mit den Bereichen erneuerbare Energien - besonders Windenergie - oder Wasserstoff, Digitalisierung und Mobilität. Seit 2015 war ich für das Fachmagazin neue energie tätig, zunächst als Volontär, dann als Redakteur.

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