Deutschlands Netzausbaudebatten drehen sich aktuell stark um Kosten. Gerade die Abkehr vom Erdkabelvorrang wird im Zuge dessen heiß diskutiert. Amprion hat als europaweit einziger Netzbetreiber sowohl mit DC-Erdkabeln als auch DC-Freileitungen Erfahrungen. Im Interview bezieht Hendrik Neumann, Chief Technical Officer (CTO) bei Amprion, Stellung und warnt vor pauschalen Festlegungen.
energate: Herr Neumann, die Energiewende wird aktuell stark im Lichte der zu erwartenden Kosten diskutiert. Ein Faktor, der auch politisch immer stärker in Zweifel gezogen wird, ist der Erdkabelvorrang. Wie bewerten Sie das Sparpotenzial und inwiefern würde ein Schwenk auf Freileitungen den Netzausbau von Amprion günstiger machen?
Neumann: Wir sollten die möglichen Einsparpotenziale auf der Zeitachse sauber betrachten. Die Treiber in den Netzentgelten sind aktuell nicht die Kapitalkosten für Ausbauprojekte, die Mitte der 2030er Jahre realisiert werden. Die gegenwärtig hohen Kosten für das Netzengpassmanagement fallen viel mehr ins Gewicht. Ein zügiger Netzausbau bleibt daher das effektivste Mittel, um diese Kosten zu senken. Wir arbeiten aktuell an Projekten, die Engpässe im Stromnetz so deutlich reduzieren, dass sich die gesamten Baukosten bereits innerhalb von zwei bis drei Jahren amortisieren. Ein anschauliches Beispiel ist der kürzlich abgeschlossene Lückenschluss zwischen Ganderkesee bei Bremen nach Wehrendorf im südlichen Niedersachsen, den wir im vergangenen Jahr mit Tennet in Betrieb genommen haben. Dieses Projekt spart etwa 600 bis 800 Mio. Euro Redispatch-Kosten pro Jahr. [...]