"Wir wundern uns, wie Deutschland die Biomasse bremst" | Interview mit Christian Rakos

Bild: ProPellets Austria

Wien (energate) -  Das Gebäudeenergiegesetz will grüne Heiztechnik in Deutschland verbreiten. Warum dies Teile der Erneuerbaren-Branche skeptisch sehen, erläutert Christian Rakos, vom Verband Pro Pellets Austria im Interview.

energate: Herr Rakos, Deutschland plant mit dem GEG-Entwurf ab 2024 den Einbau von Pelletheizungen im Neubau zu verbieten. Wie bewerten Sie dies als Vertreter der österreichischen Pelletbranche und der World Bioenergy Association? 

Rakos: Wir wundern uns sehr, wie in Deutschland die Biomasse als erneuerbarer Energieträger ausgebremst wird - und das ausgerechnet durch eine grüne Regierung. Unsere Regierung, ebenfalls mit grüner Beteiligung, sieht dies ganz anders. Wir fördern Pelletheizungen hierzulande sehr aktiv und aktuell sehen wir eine große Investitionswelle in der Pelletwirtschaft. Elf Pelletierwerke gehen dieses und nächstes Jahr in Betrieb, wodurch die Produktion um mindestens 30 Prozent steigen wird.

energate: Was entgegnen Sie auf den Einwand der vermeintlich zu hohen CO2-Emissionen?

Rakos: Eine aktuelle Studie des international anerkannten Experten Dr. Englisch weist für Österreich eine CO2-Einsparung von 95 bis 98 Prozent aus, wenn von Heizöl auf Holzpellets umgestellt wird. Die großen Sägewerke nutzen allesamt anfallende Reststoffe wie Rinde zur Energieproduktion, der CO2-Rucksack ist entsprechend niedrig. Bei uns liegt die durchschnittliche Lieferentfernung bei 50 Kilometern - und auch wenn diese in Deutschland etwas höher ausfallen dürfte, ist die Ökobilanz dennoch sehr gut. Daher kann ich nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung laut dem GEG-Entwurf Pellets im Neubau gar nicht mehr zulassen will. Eine Wärmepumpe, die zum Teil mit Kohlestrom betrieben wird, dürfte heute kaum besser als eine Gasheizung sein, ist aber wesentlich schlechter als eine Pelletheizung. Somit wird der Klimaschutz hintertrieben.

energate: Im Bestand ist laut dem Entwurf eine Pelletheizung noch in Kombination mit einer Solarthermieanlage zugelassen, was aber nicht ganz billig wird.

Rakos: Im Bestand hat sich die deutsche Fördersituation extrem verschlechtert, im vergangenen Jahr gab es noch einen Zuschuss von 50 Prozent. Aktuell sind es 20 Prozent, mit der Auflage, die Solarthermie zu nutzen. Warum sollten Verbraucher, die Biomasse als erneuerbare Wärmequelle auswählen, noch eine zweite erneuerbare Technologie dazu holen müssen? Damit ist die Planungs- und Investitionssicherheit für die Hersteller, die sich auf einen wachsenden Markt eingestellt hatten, dahin. Wichtiges Know-how droht in andere Länder abzufließen.

energate: Das Argument des BMWK lautet, dass die Sonne die niedrige Grundlast im Sommer übernimmt, vor allem zur Wassererwärmung und damit die Pelletheizung komplett ausgeschaltet bleibt, um Emissionen zu sparen. 

Rakos: Das ist eine wunderbare Lösung, die ich zu Hause bei mir ebenfalls einsetze, aber wieso muss der Gesetzgeber das als Fördervoraussetzung vorschreiben? Denn dies wird für diejenigen zum Problem, die keine entsprechende Dachfläche zur Verfügung haben. Zudem werden viele Haushalte damit finanziell überfordert sein. Gerne lässt sich das zusätzlich fördern, aber der Zwang dazu ist in meinen Augen der falsche Weg.

energate: Wie sieht die Förderung in Österreich aus?

Rakos: In Österreich gibt es einen Bundeszuschuss in Höhe von maximal 7.500 Euro oder 30 Prozent, hinzu kommen Landeszuschüsse zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Damit lassen sich Heizungen finanzieren: 2022 kamen 23.000 Anlagen hinzu. Zur Einordnung: In Deutschland, wo alles etwa um den Faktor zehn größer ist, wären dies 230.000 Pelletheizungen. In der Realität waren es bei Ihnen im vergangenen Jahr 100.000 Anlagen, immerhin mehr als je zuvor. Also ein positiver Trend, der jetzt leider unvermittelt abreißt, wie ich vonseiten meiner Mitgliedsunternehmen höre.

energate: Beim Förderprogramm für die Industrie, EEW, bekommt ab dem 1. Mai die Elektrifizierung Vorfahrt gegenüber Biomasseanlagen ab 5 MW.

Rakos: Das ist noch absurder, denn für Unternehmen, die Hochtemperaturwärme benötigen, ist Biomasse die mit Abstand günstigste Lösung. Hier ein Beispiel: Für sämtliche Molkereien und die Lebensmittelverarbeitung lässt sich mit Biomasse regelbar Prozessdampf zu einem Bruchteil der Kosten wie mit Strom erzeugen. Denn Strom ist mittelfristig nicht nur wesentlich teurer, sondern auch bis in die 2030er-Jahre hinein weiterhin sehr CO2-intensiv.

energate: Kommen wir nochmals zu den einzelnen Gegenargumenten Emissionen, Transport, Flächenverbrauch. 

Rakos: Zu den Feinstaubemissionen: Es gibt die Vorgabe von 2,5 mg/m3 - das ist etwas weniger als eine Kaffeetasse Holzasche, die pro Jahr aus dem Schornstein emittiert wird. Die Pelletheizung ist damit praktisch emissionsfrei. Manche Hersteller haben Elektrofilter eingebaut, andere haben die Feuerungstechnik optimiert, um derart niedrige Emissionen zu erreichen.

Was die Transporte anbelangt: Ja, die Energiedichte ist nur halb so hoch wie bei Heizöl und es müssen daher mehr LKWs fahren, aber es existiert schlichtweg kein Energieträger ohne Nachteile. Bei großen Kraftwerken wird es laut der EU-Richtlinie RED III die Vorgabe von 80 Prozent CO2-Reduktion geben - und das über die ganze Lieferkette hinweg, inklusive des Transports. 80 Prozent Reduktion ist uns nicht gut genug?

Nicht zuletzt gibt es ein großes Überangebot an minderwertigem Holz. Zudem wird mehr aufgeforstet als geerntet - es werden also keine Wälder geplündert. Sogar in Rumänien, das in der Presse als Aufreger galt, war die Aufforstung höher als die Abholzung. Meiner Meinung nach wird hier gezielt Desinformation betrieben, nachweislich finanziell gefördert mit Geldern aus US-Fonds. Die sterbenden Fichten müssen ohnehin durch gesunde Mischwälder ersetzt werden, damit können wir ihre Reststoffe in den kommenden 20 Jahren auch stärker energetisch nutzen.

energate: Wie steht es um den Pelletpreis, der 2022 im Zuge der Gaskrise zwischenzeitlich explodierte?

Rakos: Die Preisrally ist vorüber, die auch dadurch ausgelöst wurde, dass das Angebot aus Weißrussland und Osteuropa abriss, während gleichzeitig viele Konsumenten früher als sonst bestellt hatten, um sicher durch den Winter zu kommen. Ich hoffe, wir bleiben ab sofort wieder in dem ruhigen Fahrwasser, das wir die 20 Jahre davor mit sehr geringen Preisschwankungen gewohnt waren.

Das Interview führte Michaela Tix.