Softwaresysteme: Schnittstellen als Erfolgsgarant für die Digitalisierung | emw

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Von Hayley Solomon, Business IT – Geschäftsentwicklung, GasVersorgung Süddeutschland GmbH

Die Digitalisierung in der Energiewirtschaft ist in aller Munde, doch reicht es nicht aus, Daten lediglich digital zur Verfügung zu stellen. Vielmehr gilt es, diese als Datenfluss entlang einer Prozesskette automatisiert durch alle betroffenen Systeme zu transportieren. Die Einrichtung geeigneter Schnittstellen zwischen den Softwaresystemen der Geschäftspartner ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Der Strom- und Gasmarkt unterliegt immer schnelleren Veränderungen: Hochtransparente Handelsmärkte, zunehmende regulatorische Vorgaben und die Standardisierung der Energiegeschäfte sind nur drei der zu nennenden Entwicklungen. Gerade im Energiehandel werden dabei beispielsweise die einzelnen Kauf- und Verkaufsgeschäfte nicht zuletzt aufgrund der vielen Handelsbildschirme zunehmend kleinteiliger. Das bedeutet gleichzeitig eine signifikant höhere Anzahl an Deals, die operativ abgewickelt und verarbeitet werden müssen.

Veränderungen im Energiemarkt fordern die Unternehmen
Wie sollen Unternehmen in dieser Transformation zum einen den Entwicklungen am Markt Rechnung tragen und zum anderen innovativ und effizient die eigenen operativen Prozesse gestalten? Die Digitalisierung wird hierbei als wirkungsvolles Instrument genannt. Doch wenn der Begriff der Digitalisierung im unternehmerischen Umfeld verwendet wird, so geht es nicht ausschließlich um das Verfügbarmachen von digitalen Daten im Zuge der digitalen Transformation. Vielmehr geht es um optimierte und automatisierte Prozesse beziehungsweise um Datenflüsse und Schnittstellen.

Digitale Tool-Landschaft durch Schnittstellen verbinden
Während in der Energiewirtschaft bei Stadtwerken, Weiterverteilern und Industrieunternehmen eine Vielzahl verschiedener Software-Tools im Einsatz ist, heißt das nicht zwangsweise, dass die Systeme miteinander kommunizieren und Daten automatisiert austauschen können. Das hat manuelle und damit zeitaufwändige Eingriffe innerhalb der operativen Prozesse sowie eine höhere Fehleranfälligkeit zur Folge – und das bei einem immer schnelleren und kleinteiligeren Handelsmarkt. Die manuelle Abwicklung der Prozesse ist eine zunehmende Herausforderung für die Beteiligten: Immer mehr Geschäfte müssen händisch vom physischen Kauf/Verkauf über das Portfoliomanagement bis hin zur Abrechnung bearbeitet und transferiert werden.

Die Praxis zeigt dabei noch einen weiteren wichtigen Punkt auf: Die Verwendung von nicht redundanten Daten aus Tabellenkalkulations-Programmen. Diese Programme, die oft sämtliche Kundenstammdaten und Deals beziehungsweise Geschäftsdaten abspeichern, sind per Definition weder eine Datenbank noch können sie im IT-technischen Verständnis als belastbarer Teil einer Schnittstellenkonfiguration fungieren, da unter anderem kein Monitoring möglich ist. Die Welt der Makroprogrammierung als mögliche „Schnittstelle“ dürfte an dieser Stelle nicht nur durch Wirtschaftsprüfer, sondern auch durch die eigene Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), sprich die resultierenden Kosten aufgrund der auftretenden Fehlerquote, begrenzt sein.

Viele bestehende Systeme und Tools könnten bereits im Status quo relativ einfach „miteinander sprechen“ und Daten über Schnittstellen austauschen. Andere könnten kurzfristig dazu befähigt werden. Dennoch scheint oftmals die unternehmerische Prämisse zu gelten: „Das haben wir schon immer so gemacht“. Nicht zuletzt, weil ausreichend Personalressourcen für händische oder halbautomatisierte Prozesse vorhanden zu sein scheinen und diese „Eh-da“-Kosten vordergründig nicht weiter ins Gewicht fallen. Dies kann aber sicherlich nur bis zu dem Zeitpunkt Teil der Unternehmensstrategie sein, an dem entweder massive, auch kostspielige, Fehler unterlaufen oder ab dem die Personalressourcen für die zunehmenden händischen Arbeiten nicht mehr ausreichend sind.

Viele Vorteile und digitale Freiheit
Die Implementierung einheitlicher Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen schafft signifikante Vorteile: Es gibt keine Fehler bei der Datenübertragung, man hat Zeit- und Kostenersparnis sowie Monitoring-Möglichkeiten. Die Digitalisierung und der Einsatz von Schnittstellen bedeutet aber auch „digitale Freiheit“ für die jeweiligen Nutzer. Weniger oder keine manuellen Prozesse heißt: Die Mitarbeiter, die zuvor durch die manuelle Übertragung der Daten gebunden waren, haben nun Zeit für neue Aufgaben und können dem Unternehmen einen ergänzenden Mehrwert liefern. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen!

Die GasVersorgung Süddeutschland (GVS) ist ein Beispiel für die Nutzung von Schnittstellen. Sie hat sich vor mehreren Jahren schon für den Weg der konsequenten Digitalisierung entschieden. Neben der Prozessoptimierung und Digitalisierung einzelner interner Prozesse erfolgte die Implementierung diverser interner Schnittstellen. Ziel war und ist es, so flexibel und automatisiert wie möglich Daten zu sammeln, zu verarbeiten, zu aggregieren, anzureichern und nachfolgenden Systemen zur Verfügung zu stellen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei auch dem Monitoring-System zu. Daten fristgerecht zu übermitteln und zu verarbeiten sind die Kernbestandteile des Digitalisierungsprozesses. Im Umkehrschluss ist ebenso ein funktionierendes, automatisiertes Realtime-Monitoring für die Datenübermittlung und -überwachung der Schnittstellen unabdingbar, das im Ernstfall die entsprechenden Verantwortlichen über eine Meldekette informiert.

Digitalisierung verändert Rollenverständnis zum Kunden
Beim Entwickeln und Implementieren des Online-Marktplatzes E-Point galt es für GVS, einige technische Hürden in ganz unterschiedlichen Bereichen zu nehmen. Manchmal war dies ein schmerzhafter Lernprozess, der aber auch Nutzen brachte: Aus der eigenen operativen Erfahrung heraus können die Herausforderungen, denen sich die Kunden stellen müssen, dadurch besser und reflektiert verstanden werden.

Die Entwicklung des Online-Marktplatzes ist dabei nur ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit, in dem Kundenprozesse wie die Online-Beschaffung von Standardhandelsprodukten oder die Online-Bepreisung von Fahrplänen digitalisiert wurden. Mit wenigen Klicks lässt sich die Beschaffung auslösen, automatisch durchführen und per automatisierter Confirmation dem Kunden gegenüber bestätigen. Eine weitere wichtige Neuerung ist jedoch, dass alle generierten Daten eines Kundenunternehmens dem Kunden in E-Point – digital aufbereitet – zur Verfügung gestellt werden. Schließlich „gehören“ Deal-, Nominierungs- oder auch Bilanzkreisdaten nicht nur der GVS, sondern ebenso dem Kunden. Das Zurückgeben und die Bereitstellung von Daten an Kunden dürfte eine ganz neue Denkweise für viele Marktteilnehmer sein. Das bisherige Rollenverständnis ändert sich dabei fundamental: weg von einem starren Lieferanten-Kunden-Verhältnis hin zu einem Verständnis des Teilens, zum partnerschaftlichen Agieren und Abgeben der „Datenhoheit“. Die Grenzen lösen sich hierbei auf und die Haltung gegenüber Kunden und Geschäftspartnern verändert sich.

Die Bereitstellung von Daten inklusive Schnittstellen wird von den Kunden und Usern stark nachgefragt. Da bekanntermaßen viele Kunden-Systeme CSV- oder XLSDateien einlesen können, stellt das System seit dem Go-Live Anfang 2017 viele Downund Upload-Möglichkeiten zur Verfügung.

Plattformen und Systeme müssen miteinander kommunizieren können
Das Handling von Daten in einem einzelnen System sowie die Übermittlung an ein zweites System ist der einfache Teil der Theorie. Komplexer wird die Herausforderung, wenn einzelne Plattformen – wie zum Beispiel E-Point oder auch Tender365 – miteinander automatisiert kommunizieren, Daten austauschen und an Kundensysteme übermitteln sollen. Auch hier hat die GVS frühzeitig die Initiative ergriffen und den Entwicklungsprozess einer automatisierten Schnittstelle zusammen mit Kunden und dem E-Point-Beirat gestartet. Das Sondieren der Anforderungen, Prüfen der technischen Umsetzbarkeit und die Definition eines MVP (Minimum Viable Product) waren die ersten Schritte. Einen geeigneten Software-Partner zu finden ergab sich aus dem spezifischen Anforderungskatalog und den Auswahlkriterien. Daraus resultierte die Implementierung einer automatisierten Schnittstelle vom Online-Marktplatz zu den Kundensystemen, um Strom- und Gasgeschäfte komfortabel, schnell und sicher abzuwickeln. Daten der Deals werden dabei automatisiert und in Realtime in die kundeneigenen ETRM-System übermittelt. Davon profitieren beide Seiten gleichermaßen. Mit diesem Schritt wurden nun auch für den Kunden weitere deutliche Vorteile aus der Digitalisierung gehoben.

Fazit: Die Digitalisierung im Energiemarkt setzt sich weiter fort
Dabei gilt es vor allem, Schnittstellen zwischen eigenen Systemen und den verschiedenen Tools Dritter zu schaffen – und das schneller, sicherer, fehlerfrei und mit vielfältigen strategischen Möglichkeiten für Analyse und Bewirtschaftung. Die hohe Transparenz der Energiemärkte führt seit einiger Zeit auch zu einem sich verändernden Rollenbild zwischen Lieferanten und Kunden. Die digitale Bereitstellung und das Teilen der Daten sind die Basis einer funktionierenden Geschäftsbeziehung, von der alle Partner profitieren.

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