Interview mit Jens Hüttenrauch, DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH | emw.trends

Interview mit Jens Hüttenrauch, Teamleiter Netzprojekte, DBI Gas und Umwelttechnik GmbH

"DER BEDARF AN DATENERFASSUNG UND -AUSWERTUNG IN GASNETZEN WIRD ZUNEHMEN.“

Die Energiewende wird noch immer häufig als stromgetrieben empfunden. Doch spätestens seit die Rufe nach einer Sektorenkopplung lauter werden, blickt die Energiebranche nicht nur auf die intelligenten Stromnetze, sondern auch auf die Gasinfrastrukturen. energate-Redakteur Artjom Maksimenko sprach mit Jens Hüttenrauch, Teamleiter Netzprojekte beim DVGW-Forschungsinstitut, der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH, über Intelligenz im Gasnetz.

e|m|w.trends: Herr Hüttenrauch, welche Daten braucht ein intelligentes Gasnetz und wie viele?

Hüttenrauch: Der Bedarf an Erfassung und Auswertung von Daten in den Gasnetzen wird zukünftig zunehmen. Auslöser dafür sind vor allem die Sektorenkopplung, das heißt die energetische Verknüpfung der Verbrauchssektoren Wärme, Industrie und Mobilität, sowie die Einspeisung erneuerbarer Gase. Darin eingeschlossen sind die damit verbundenen Auswirkungen unter anderem auf die Einhaltung der zulässigen Grenzen der Gasbeschaffenheit sowie die Gasabrechnung. Darüber hinaus führt auch ein steigender Bedarf an Flexibilisierung des Netzbetriebs, zum Beispiel bei der Druckdynamik mittels aktiver Ausnutzung der oberen und unteren Druckgrenzen, zu einem erhöhten Bedarf an Mess- und Regeltechnik. Neben punktuellen Messungen werden dann in einigen Netzen auch umfassendere Systeme zur Brennwertverfolgung benötigt. liegen in einer verbesserten Kenntnis der Netze, einer optimierten Ausnutzung der bestehenden Infrastruktur und der Erhöhung der Kapazitäten zur Aufnahme erneuerbarer Gase sowie der Potenziale zur Sektorenkopplung. Die Potenziale zur vorteilhaften Nutzung von Daten zu Brennwerten, Drücken, etc., aber auch der Bedarf zu deren Erfassung, werden vor allem da zunehmen werden, wo es um neue Aufgaben geht. Da die Energiewende zu großen Teilen in den Verteilnetzen stattfindet, betrifft dies vor allem die Gasverteilnetze.

e|m|w.trends: Welche technischen Möglichkeiten werden entwickelt, um die Brennwert-Rekonstruktion für L-Gas, H-Gas, LNG, CNG, Biogas und Wasserstoff intelligent zu betreiben?

Hüttenrauch: Der Brennwert-Verfolgung/-Rekonstruktion kommt in einem zukünftigen Gassystem mit zunehmender Einspeisung unterschiedlicher erneuerbarer Gase eine wesentliche Rolle zu, etwa von der Erfassung und Steuerung der Netze bis hin zur Gewährleistung einer einzelgerechten Gasabrechnung. Während diese Systeme auf Fernleitungsnetzebene schon lange etabliert sind, ist der Bedarf dafür in den Gasverteilnetzen erst in den letzten Jahren, mit zunehmender Einspeisung von Biomethan, gewachsen.

e|m|w.trends: Können Sie dazu ein paar Beispiele nennen?

Hüttenrauch: Ein spannendes Projekt hierzu hat die Mitnetz Gas kürzlich vorgestellt. Durch Einsatz des SmartSim-Verfahrens kann vollständig auf die Flüssiggas-Konditionierung des Biomethans aller Anlagen im Netzgebiet verzichtet werden. Das bringt entsprechende ökologische und ökonomische Vorteile mit sich. Wie gut solche Systeme zukünftig mit einer, gegebenenfalls auch diskontinuierlichen, Wasserstoffeinspeisung zurechtkommen, wird sich noch zeigen müssen. Das Thema ist sowohl auf Fernleitungs- als auch Verteilnetzebene aktuell.

e|m|w.trends: Kommen wir zum Thema Sektorenkopplung. Wie ist der Stand der Initiativen zur gemeinsamen Netzplanung in Deutschland?

Hüttenrauch: Die Sektorenkopplung findet statt – dies zeigt eindrücklich die kürzlich aktualisierte DVGWKarte der Power-to-Gas-Projekte in Deutschland. Eine Vielzahl von Elektrolyse- und Methanisierungs- Technologien, Anlagenleistungen und Nutzungskonzepten wird längst nicht mehr nur im Rahmen von Forschungsprojekten geplant, gebaut und betrieben. Während die meisten Projekte bisher in den Verteilnetzen zu finden waren, wird das Thema jetzt auch von den großen Netzbetreibern aufgenommen. Zum Beispiel planen zwei Konsortien aus TenneT, Gasunie und Thyssengas sowie Amprion und Open Grid Europe (OGE) die Errichtung von 100 Megawatt- Power-to-Gas-Anlagen.

em|w.trends: Power-to-Gas nimmt bei den Planungen unübersehbar einen großen Raum ein. Welche Bereiche werden sonst noch von der Sektorenkopplung erfasst?

Hüttenrauch: Es geht bei der Sektorenkopplung zwischen Strom und Gas nicht nur um Power-to-Gas. OGE und EWE Netz diskutieren im Rahmen des Enera- Projekts auch eine bivalent, also bedarfsgerecht sowohl mit Strom als auch Gas, betriebene Verdichterstation. Das sind eindeutige Signale dafür, dass die Netzplanung auch auf Übertragungs- und Fernleitungsnetzebene zunehmend übergreifend betrachtet wird und dann sinnvollerweise auch Eingang in die deutschen und europäischen Netzentwicklungspläne findet.

e|m|w.trends: Herr Hüttenrauch, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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