Interview mit Dr. Ludwig Möhring | emw persönlich

Dr. Ludwig Möhring Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V.

1 | Sie sind seit über 25 Jahren in der Erdgas- und Erdölbranche tätig, seit November 2018 als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG). Hat die Verbandsarbeit Ihren Blick auf die Branche verändert – und wenn ja, wie?

Mein Blick auf die Branche und die Rolle von Erdgas und Erdöl in der modernen Energielandschaft ist unabhängig vom Arbeitgeber. Seit Jahren arbeite ich an der angemessenen Positionierung von Erdgas in der Energiewende und das beschäftigt mich auch weiterhin. Die öffentliche Kritik an konventionellen Energieträgern ist für die deutschen Erdgas- und Erdölproduzenten, die neue Projekte anstoßen möchten, von besonderer Bedeutung. Das ist eine neue Erfahrung und ich hoffe, dass die langfristige Relevanz unserer Industrie von Politik, Behörden, aber auch von den Menschen im Lande besser verstanden wird – dazu will ich beitragen.

2 | Was bedeutet aus Ihrer Sicht der Kohleausstieg für die Gasbranche?

Der Kohleausstieg manifestiert eine Entwicklung, die wir auch im Wärmemarkt erleben werden: erfolgreicher Klimaschutz wird nur gelingen, wenn wir neben erneuerbarem Strom auch auf Moleküle, nämlich Erdgas setzen. Im Stromsektor ist das eine Frage der Versorgungssicherheit, im Wärmemarkt geht es um Bezahlbarkeit, aber auch – gerade im Bestandsbau – darum, überhaupt Lösungen für Bereiche zu finden, in denen die Wärmepumpe keine Option ist, zum Beispiel in schlecht isolierten Häusern ohne Flächenheizung. Kurz: eine „all electric world“ wird es nicht geben. Gut, dass diese Erkenntnis jetzt endlich dazu führt, praktikable Lösungen zu finden, die den Menschen nutzen und bezahlbaren Klimaschutz ermöglichen.

3 | Wie wird sich langfristig das Verhältnis von Erdgas, Biogas und synthetischen Gasen entwickeln?

In einer Welt, in der Methan eine große Rolle spielt, müssen wir uns natürlich auch der Frage stellen, wie dessen CO2- Emissionen reduziert werden können. Hier ist Bio-Erdgas zu nennen, sicherlich aber auch Power-to-Gas für die Nutzung von Überschussstrom. Wobei dann zu klären ist, inwieweit es sinnvoller sein kann, direkt den Wasserstoff zu nutzen. Ich freue mich, dass diese Themen jetzt die öffentliche Diskussion erreicht haben und wir – bei allem Interesse am Ausbau von Wind- und Solarenergie – den gesamten Energiemix integriert betrachten. Konsequent sollten dann aber auch bereits entwickelte und erprobte Lösungen, wie die thermische Zerlegung von Methan in Wasserstoff und Kohlenstoff, auf ihre Skalierbarkeit untersucht werden. Das große Plus dieser Lösung ist die Vermeidung von CO2, da allein Kohlenstoff anfällt. Hierin könnte eine attraktive Option auch für konventionelles Erdgas liegen. Diese Potenziale gilt es zu analysieren und mit entsprechenden Projekten zur Marktreife zu bringen.

4 | Werden die Themen Power-to-Gas und Power-to-Liquids die Berufsbilder in der Erdöl- und Erdgasbranche verändern?

Die Energiebranche entwickelt sich rasant. PtG oder PtL sind Belege dafür, wie existierende Technologien großflächig Platz greifen und darauf ausgerichtete Jobs kreiert werden können. Generell gilt sicherlich, dass IT-nahe Berufe in unserer zunehmend digitalisierten Energiewelt einen großen Raum einnehmen werden, und zwar auf allen Wertschöpfungsstufen. Gleichzeitig wird es auch in Zukunft – erst recht im globalen Kontext – einen großen Bedarf an zum Beispiel Geowissenschaftlern und (Tiefbohr-) Ingenieuren geben. Übrigens ist es ein sehr relevantes Thema in unserer Branche, wie wir die Talente der nächsten Generation finden.

5 | Ihre ersten Stationen in der Energiebranche waren bei der BEB Erdgas und Erdöl GmbH in Hannover. Ihr Einstieg beim BVEG wurde in der Branche teils als Rückkehr zum Upstream- Geschäft bezeichnet. Sehen Sie das selbst auch so?

Da ist sicher einiges dran, wobei ich den überwiegenden Teil meiner Karriere für große Produzenten gearbeitet habe. Die „Upstream-Orientierung“ hatte ich also nie verloren, wenn ich auch in erster Linie verantwortlich für die Vermarktung war. Gleichzeitig – und das zeigt auch unser Interview – wird sich die Upstream-Industrie in Deutschland langfristig nur dann weiterentwickeln, wenn unsere Rolle in der modernen Energielandschaft bei den Verbrauchern und in der Politik klar definiert ist. Ich freue mich, dass ich dazu meinen Beitrag leisten kann.

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