"DIPKO: Der digitale Marktplatz für kommunale Services." | Interview emw.trends

Viele Stadtwerke gehen bei der Suche nach neuen Geschäftsmodellen den Weg über White-Label-Produkte und geben damit ihr wichtigstes Asset nach draußen: den Kundenzugang. Das will die DIPKO ändern, ein digitaler Marktplatz, über den Stadtwerke neue Geschäftsideen gemeinsam entwickeln, den Kundenzugang jeweils für sich behalten und zudem ihren eigenen Querverbund stärken. e|m|w.trends sprach über dieses Konzept mit Mirco Pinkse, dem Ideengeber der DIPKO.

e|m|w.trends: Herr Pinske, Sie haben vor knapp einem Jahr damit begonnen, die digitale Plattform DIPKO zu entwickeln. Was verbirgt sich dahinter?

Pinske: DIPKO steht für Digitale Plattform für kommunale Services. Als Gemeinschaftsprojekt wollen wir Stadtwerken den Weg zur Digitalisierung ihres Produktportfolios ebnen und dabei vor allem die Stärken des Querverbunds nutzen.

e|m|w.trends: Was heißt das konkret?

Pinske: Die Leistungen aus dem Querverbund bieten Stadtwerken hervorragende Möglichkeiten, sich vom Wettbewerb abzuheben. Bäder, ÖPNV, Parkhäuser, Carsharing – das alles sind Angebote, die sich bestens für die Kundenbindung eignen, was heute aber viel zu oft nicht gemacht wird. Für den Kunden ist beispielsweise häufig gar nicht erkennbar, welche Produkte zum örtlichen Stadtwerk gehören. Denn viele Stadtwerke haben gar keine Dachmarkenstrategie: Ein Konzern, aber alle Produkte heißen anders. Das halte ich für einen schwerwiegenden Fehler.

e|m|w.trends: Wie kommt hier die DIPKO ins Spiel?

Pinske: Ziel der DIPKO ist es, die unterschiedlichen Produkte der verschiedenen kommunalen Sparten in einer digitalen Plattform zu bündeln und diese mit im kommunalen Verbund entwickelten Angeboten stetig zu erweitern. Wenn Stadtwerke heute eine Lücke in ihrem Produktportfolio schließen wollen, gehen sie oft den Weg über White-Label-Produkte von Drittanbietern. Für die Produktlösung ist das in Ordnung, weil man schnell zum Ziel kommt. Es hat aber massive Nachteile, weil man das wichtigste Asset abgibt, das ein Stadtwerk hat: nämlich den Kundenzugang. Niemand garantiert, dass derjenige, der heute meine Ladesäulen betreibt, morgen nicht auch noch den Strom dazu liefert. Das kann Stadtwerken nicht gefallen.

e|m|w.trends: Was tun Sie dagegen?

Pinske: Als Vertrieb möchte man eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden bekommen – und das ist auch möglich. Vorausgesetzt, das Angebot der Stadtwerke steckt nicht in lauter verschiedenen Datensilos. Wir haben in unserem Entwicklungsprozess ein Stadtwerk an Bord gehabt, das hatte im Kundenkontakt neun verschiedene Logins, einen für die Online-Services, einen für den ÖPNV, einen für die Event-Halle und so weiter. Das hilft weder dem Stadtwerk noch dem Kunden. Hier setzt die Idee der DIPKO an: Wir sagen, der Kommunalversorger zeichnet sich durch alle Sparten aus und nicht nur durch die Energiesparte. Darin liegt der Wettbewerbsvorteil, nämlich im Angebot von Bündelprodukten.

e|m|w.trends: Wie setzen Sie das in der Praxis um?

Pinske: Man muss kundenorientiert denken und nicht spartenorientiert. Der Wettbewerbsvorteil der Querverbundstadtwerke liegt auf der Hand. Aber oftmals werden Bäder, ÖPNV, Parken oder Carsharing gar nicht mit den Kernprodukten vernetzt. Wir haben zum Beispiel ein Stadtwerk als Entwicklungspartner, das zählt in seinen Bädern mehr als 300.000 Kunden im Jahr. Keiner dieser Kunden wird aber im Sinne der Energiesparte angesprochen. Da bleibt ein riesiges Potenzial völlig ungenutzt. Deshalb ist unser Ansatz, die zentrale digitale Kundenschnittstelle in der Hand zu behalten und sie zu bündeln – und das nicht nur im Produktportfolio eines einzelnen Stadtwerks, sondern in der Kooperation mit anderen Stadtwerken.

e|m|w.trends: Sie sprechen die Zusammenarbeit mit Entwicklungspartnern an, wie muss man sich das vorstellen?

Pinske: Wir sind gestartet mit drei Stadtwerken als Partner: die Stadtwerke aus Gießen, Haltern und Iserlohn. Zusätzlich waren noch weitere Stadtwerke sowie eine Innovationsplattform, stellvertretend für mehr als zehn Stadtwerke, mit an Bord. Die haben wir zu sogenannten Open-Innovation-Sprints eingeladen, in denen wir gemeinsam die ersten Funktionalitäten der DIPKO entwickelt haben. Wir haben begonnen mit einem Treueprogramm zur Kundenbindung. Thema des zweiten Innovation-Sprints waren Bäder und Freizeit. Im dritten Sprint ging es um Self-Service. Mit diesen drei Themen sind wir eingestiegen, haben gemeinsam erste Ideen entwickelt und jetzt sind wir in der konkreten Umsetzung. Bis Mitte des Jahres wollen wir die Systeme bei den Stadtwerken in der Anwendung haben.

e|m|w.trends: Sie adressieren mit Ihrer Idee also auch ganz konkret den Kooperationsgedanken zwischen den Stadtwerken?

Pinske: Absolut. Stadtwerke müssen sich die Frage stellen, ob sie im immer komplexer werdenden Wettbewerb mit neuen Playern mithalten können. Auch das Entwickeln neuer Geschäftsfelder geht im Verbund besser. Unsere Überzeugung ist: Innovationen können nur gemeinsam entstehen. Wir haben die Idee, dass das, was die Stadtwerke einmal gemeinsam entwickelt haben, auch jeder nutzen können soll. Daher wird die DIPKO über einen integrierten Marktplatz verfügen, in den die Stadtwerke eigene Produkte einstellen können und anderen Stadtwerken gegen Lizenzgebühr zur Verfügung stellen. Das ist der Plattformgedanke. Auch die Angebote anderer Unternehmen aus dem regionalen Umfeld lassen sich so in die Plattform einbinden.

e|m|w.trends: Wer steckt hinter DIPKO?

Pinske: Ich bin mehr als 20 Jahre im kommunalen Umfeld tätig und habe mich schon lange mit der Frage beschäftigt, wie Stadtwerke ihre Kundenschnittstelle sichern können. Zur Lösung dieser Aufgabe habe ich zwei hervorragende Partner für die Umsetzung gefunden. Das ist zum einen das Innovationsnetzwerk Energieforen aus Leipzig mit 300 Stadtwerken als Mitgliedern. Dazu kommt msg systems aus Ismaning. Das ist ein großer IT-Anbieter mit weltweit mehr als 7.000 Mitarbeitenden, der Portale und Cloud-Dienste bislang unter anderem für die Versicherungsbranche entwickelt. Das ist ein sehr wichtiger Bestandteil, denn msg hat viel Erfahrung in der Integration unterschiedlichster Abrechnungssysteme.

e|m|w.trends: Was sind die nächsten Schritte?

Pinske: Für die nächste Zeit gibt es zwei Prioritäten: Aktuell sind wir auf der Suche nach weiteren Partnern, die mit uns in die nächsten Innovations- Sprints gehen. Denn die Funktionalitäten der DIPKO sollen ja weiter wachsen, beispielsweise auch im Bereich der Mobilität. Auf der anderen Seite freuen wir uns auch über Stadtwerke, die die DIPKO mit ihren vielfältigen Funktionen bei sich einsetzen möchten.

e|m|w.trends: Wie groß ist die Hürde bei Stadtwerken, etwas gemeinsam zu entwickeln und das dann auch gemeinsam zu nutzen?

Pinske: Das ist gar nicht die große Hürde. Viel größer ist die Hürde, dass die einzelnen Gesellschaften in einer Kommune zusammenarbeiten. Man bringt die Energieversorger zweier Kommunen oftmals schneller an einen Tisch als die Energiesparte und den ÖPNV oder den Bäderbetrieb in einer Kommune. Die zweite Nuss, die wir immer zu knacken haben, ist das Vertrauen der technischen Anbindung an die bestehenden Abrechnungssysteme. Die Schnittstellenproblematik ist zwar sicherlich nicht trivial, aber sie ist zu lösen.

e|m|w.trends: Herr Pinske, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte energate-Chefredakteur Christian Seelos.

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