Automatisierter Stromhandel – Chancen und Perspektiven | emw.trends

VON LUTZ SCHIERHOLZ UND THORSTEN MÖLLER – VATTENFALL ENERGY TRADING GMBH, HAMBURG

Mit steigender Schlagzahl der Transaktionen im Energiehandel nimmt die Anzahl der Geschäfte schnell Ausmaße an, die von Menschen allein kaum mehr überblickt werden können. Die Automatisierung der Handelsgeschäfte durch Algorithmen, das sogenannte Algotrading, ist daher eine naheliegende und effiziente Konsequenz. Aber auch in anderen Bereichen wie der Bewirtschaftung von erneuerbare Energien-Anlagen oder Ladeinfrastruktur sind Methoden des automatisierten Handels gewinnbringend einsetzbar. Im Folgenden werden verschiedene Optionen kurz skizziert.

Hohe Liquidität und besonders starke Preisschwankungen bieten ein großes Optimierungspotenzial für flexible Erzeugung und Verbrauch (nachfolgend Flexibilität genannt) im Energiemarkt. Dies gilt für den „Day Ahead“-Markt, ist aber seit einigen Jahren besonders ausgeprägt im kurzfristigen kontinuierlichen Intraday-Handel der EPEX Spot zu beobachten. Bei gleichbleibend hoher Liquidität stieg die Anzahl an Geschäften um 30 Prozent von 2018 auf 2019. Das bedeutet eine Vielzahl an Geschäften mit Viertelstundenund Stundenprodukten, mit mehreren 10.000 Geschäften pro Tag insgesamt. Eine Teilnahme an diesem Markt ohne technische Unterstützung ist daher mittlerweile nahezu unmöglich geworden.

Algorithmen, die speziell auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Marktteilnehmer zugeschnitten sind, agieren weitgehend selbständig (unter Aufsicht) und 24/7 in diesem Marktumfeld. Gründe für die Preisvolatilität liegen zweifelslos im ständig steigenden Anteil der erneuerbaren Energien, deren Anteil am Bruttostromverbrauch von 36,0 Prozent im Jahr 2017 auf nunmehr 37,8 Prozent im Jahr 2018 angestiegen ist.

Neben der rein wirtschaftlichen Betrachtung der Flexibilitätsvermarktung ist das Thema Flexibilität insbesondere deshalb von Bedeutung, um die Integration von erneuerbaren Energien weiter zu fördern. Denn im Spotmarkt sind niedrige Preise in der Regel ein Indikator für ein Überangebot von Strom aus Wind und Solar. So lässt sich kostengünstig Strom aus erneuerbaren Energien liefern und gleichzeitig die Stabilität der Stromnetze gewährleisten.

Viele Anwendungen interessant und sinnvoll
Von der Vermeidung von Bilanzierungsrisiken über die Optimierung von flexiblen Erzeugungs- und Produktionsanlagen bis hin zur aktiven Positionsnahme im Trading sind im automatisierten Stromhandel zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten denkbar. Interessant sind automatisierte Lösungen unter anderem für Industriekunden mit schwankendem Verbrauch beziehungsweise schwankender Erzeugung. Dasselbe gilt für Unternehmen, die als Bilanzkreisverantwortliche ihr Ausgleichsenergierisiko selbst tragen. Aber auch für Kommunen, Stadtwerke und E-Mobilitätsanbieter, die vor der Herausforderung der preisgünstigen und bedarfsgerechten Versorgung von E-Flotten stehen. Und nicht zuletzt können Stadtwerke, die ihr Anlagenportfolio als Flexibilität im Intraday-Markt vermarkten möchten, davon profitieren.

Damit steigen auch die Anforderungen an die Optimierung. Wir setzen daher stark auf die Entwicklung und den Einsatz bedarfsorientierter Algorithmen, um Risiken zu minimieren und gleichzeitig optimale Resultate zu erzielen. Die Herausforderungen bestehen aber nicht nur, wie oben beschrieben, auf der Marktseite, bei der die Unterstützung durch Algorithmen unumgänglich ist, sondern auch auf der Seite der Anbindung der Anlagen zur kontinuierlichen „Kommunikation“ in Richtung der Algorithmen. Parallel dazu ist es unabdingbar, alle Prozessschritte ständig zu optimieren, um operative Risiken aus dem Handel auszuschließen. Neben diesen Anforderungen muss sichergestellt sein, dass die Prozesse 24/7 überwacht werden. Zudem kommt es auf die richtige Wahl der Technologie an, um auch kleinere Flexibilitäten kostengünstig an der Vermarktung teilhaben zu lassen.

Je nach frei verfügbarer Flexibilität und Schnelligkeit können am Intraday-Markt bis zu 50.000 Euro pro Megawatt Leistung pro Jahr erzielt werden. Dieser ist damit eine gute Alternative zum bisher dominierenden Regelenergiemarkt und bietet ähnlich gute Ergebnisse beim Einsatz von Flexibilität – mit wesentlich geringeren Eintrittsbarrieren.

Die Qualität der Datengrundlage gewinnt an Bedeutung
Mit der Akquisition des holländischen Start-ups Senfal, welches sich seit seiner Gründung genau mit diesen Fragestellungen beschäftigt, hält die Vattenfall Energy Trading GmbH nun für ihre Kunden die Tools bereit, um von den beschriebenen Möglichkeiten zu profitieren. Dazu gehören sowohl die Analyse und Implementierung der Optimierungsalgorithmen als auch die Bereitstellung der Schnittstellen. In Deutschland hat diese und weitere Services die Vattenfall Smart Connect GmbH im Angebots-Portfolio. Dies reicht vom Pooling kleinerer Erzeugungsanlagen zur Erbringung von Systemdienstleistungen bis hin zu Lösungen für die E-Mobilität, wie marktpreisbasiertem, beziehungsweise gesteuertem Laden, dem sogenannten „Smart Charging“.

Durch die Vielfalt der Optimierungsanwendungen und die steigende Automatisierung rechnen wir damit, dass mittelfristig ein wesentlicher Teil im Bereich Flexibilitätsvermarktung vollständig automatisiert ablaufen wird. Das bedeutet auch, dass eine gute Datengrundlage, sowohl auf der Erzeugungs- als auch der Verbrauchsseite zunehmend wichtiger wird. Eine gute Datenbasis ist die Grundvoraussetzung für den automatisierten Handel. Für diese Aufgabe halten wir uns bei Vattenfall Energy Trading GmbH als eines der führenden Handelshäuser im Bereich Erneuerbarer Energien für sehr gut positioniert.

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