„Wir wollen den Energiemarkt demokratisieren“ | blue oceans

Die Vision des Start-ups enyway: Die Menschen machen die Energiewende, nicht die großen Konzerne. Wie der Stromhandel zwischen privaten Erzeugern und Verkäufern funktioniert und welche Hürden es für Peer-to-Peer-Plattformen noch gibt, erzählt Geschäftsführer Andreas Rieckhoff im Interview.

blue oceans:
Warum haben Sie sich für das Konzept des direkten Stromhandels entschieden?

Andreas Rieckhoff:
Vor 20 Jahren gab es etwa 500 Erzeu - gungsanlagen, heute gibt es mehr als 1,9 Millionen. Und der größte Anteil davon wird von Privatpersonen betrieben. Auf der Versorgerseite sieht es anders aus. Dort gibt es mehr als 1.000 Energieversorger, mehrheitlich in Eigentumsverflechtungen von wenigen Konzernen, die noch immer mit Atom- und Kohlekraft verbunden waren oder sind. Wir fanden das war ungleich verteilt, denn diejenigen, die in Deutschland die Energiewende großgemacht haben, waren die Menschen und nicht die Konzerne. Und denen wollten wir eine Plattform bieten. Im November 2017 haben wir unserer erstes Produkt "enyway power" auf den Markt gebracht und haben so als erste in Deutschland den Ökostromhandel von Mensch zu Mensch ermöglicht. Auf unserem Marktplatz kann jeder Stromerzeuger seinen Strom verkaufen – und zwar direkt an private Verbraucher. Die Stromkäufer wissen auf der anderen Seite genau, woher ihr Strom kommt und wen sie mit ihrem Geld unterstützen. Im besten Fall fahren sie sogar mal kurz bei ihrem Stromverkäufer auf einen Kaffee vorbei und schauen sich die Anlage aus nächster Nähe an. Für die Stromverkäufer gibt es noch einen weiteren Anreiz: Viele von ihnen fallen in den nächsten Jahren aus der EEG-Vergütung. Wir bieten ihnen mit unserem Model eine Perspektive, wie sie ihre Anlage zukünftig wirtschaftlich weiterbetreiben können, denn ein Rückbau wäre das falsche Signal für die Energiewende.

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ie genau wird das Konzept umgesetzt? Andreas Rieckhoff Auf unserem Marktplatz können Stromkunden (Stromkäufer) sich ihren persönlichen Stromerzeuger (Stromverkäufer) selbst aussuchen und von ihm ihren Strom kaufen. Enyway selber tritt dabei nicht als Energieversorgungsunternehmen auf, sondern bietet privaten Stromerzeugern die Möglichkeit zu Stromverkäufern zu werden und ihren sauberen Strom über den Marktplatz direkt an interessierte Stromkäufer – Haushalte oder Firmen – zu verkaufen. Wir helfen dabei dem Stromerzeuger zu einem Energieversorgungsunternehmen zu werden und unterstützen bei der Anmeldung bei Behörden, der Bundesnetzagentur und dem Hauptzollamt. Stromkäufer können ihren Wunsch- Stromverkäufer nach Sympathie, Erzeugungsart, Regionalität und Preis aussuchen. So entsteht ein transparenter Strommarkt, der von Menschen und nicht von Konzernen gestaltet wird. Den Stromverkäufern nehmen wir alle notwendigen Prozesse und die Kommunikation mit dem Endkunden ab. Und den Endkunden stehen wir als Ansprechpartner für alle Fragen und Belange zur Verfügung. Bei uns als Plattform läuft alles zusammen – schnell, einfach und digital. Für energiewirtschaftliche Standardprozesse arbeiten wir mit starken Partnern zusammen, beispielsweise mit Statkraft in der Direktvermarktung.

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Wer kann das Angebot von Enyway nutzen?

Andreas Rieckhoff:
Bei uns kann grundsätzlich jeder, der einen Stromanschluss hat, auch Kunde werden. Egal ob Mieter oder Hausbesitzer, bei uns kann jeder wählen von wem der Strom bezogen wird: ob von Ingo aus Nordrhein-Westfalen mit seinem Windrad oder von Franz, der eine PV-Anlage in Süddeutschland betreibt. Der Wechsel ist genau so einfach wie zu jedem anderen Stromanbieter auch. Den Kunden stehen wir dabei stets als Ansprechpartner bei Fragen zur Verfügung. Auf der Stromverkäuferseite darf jeder teilnehmen, der eine Wind-, Sonnen- oder Wasserkraftanlage hat und damit ausreichend Strom produziert, um auch andere damit zu versorgen.

blue oceans:
Wie verdienen Sie damit Geld?

Andreas Rieckhoff:
Wir sind ein unabhängiger Marktplatz auf dem privaten Anbieter ihre Produkte anbieten können. Ähnlich wie auf anderen Marktplätzen nehmen wir von den Akteuren ein Dienstleistungsentgelt, das wir für die Deckung unserer Kosten verwenden. Damit können wir garantieren, dass unser Marktplatz auch in Zukunft unabhängig bleibt.

blue oceans:
Gibt es bei der Umsetzung noch Hürden?

Andreas Rieckhoff:
Wie bei allen Innovationen sind auch wir anfangs sehr viel durch die bürokratischen Strukturen verlangsamt worden und mussten viel Pionierarbeit leisten. Insbesondere die Prozesse einen Stromverkäufer zu einem Energieversorger zu machen, sind sehr kompliziert und wenig digital. Diese Herausforderungen bestehen auch weiterhin, aber mittlerweile haben wir eine Routine darin entwickelt solche Hürden zu nehmen. Grundsätzlich würde es uns aber sehr freuen, wenn in diesem Bereich die Bürokratie weiter abgebaut und die Digitalisierung vorangetrieben wird.Und natürlich kam es auch vereinzelt zu Störungen in der Zusammenarbeit mit Stromnetzbetreibern, die teilweise an die Anfänge der Strommarktliberalisierung kurz vor der Jahrtausendwende erinnert haben. Hier mussten wir mit juristischer Unterstützung viel Aufklärungsarbeit leisten, was letztlich für alle Beteiligten unnötig Zeit verschwendet hat.

blue oceans:
Wie ist bisher die Resonanz auf das Angebot von Enyway?

Andreas Rieckhoff:
Unsere Kunden finden unsere Angebote super. In der Energielandschaft war unser Modell eine absolute Neuheit. Viele Kunden sind begeistert, da sie zum ersten Mal ein persönliches Bild von ihrem Stromverkäufer bekommen. Sie haben das Gefühl, dass sie mit ihrem Geld etwas Gutes tun und einen echten Betrag für die Energiewende leisten können. Wir merken immer sehr deutlich, wie dringend einfache und zugängliche Lösungen von den Menschen gebraucht werden, damit sie selbst aktiv werden können. Mit unseren Produkten bieten wir diese einfachen Zugänge und das schätzen unsere Kunden sehr. Wir haben es uns zum Ziel gemacht, den Menschen neue Wege aufzuzeigen, wie sie sich selbst aktiv für den Klimaschutz einsetzen können. Diese Wege müssen machbar und bezahlbar sein. Mit unserem Produkt enyway power haben wir im Jahr 2017 den Anfang gemacht, denn der Wechsel zu Ökostrom ist ein wichtiger Schritt, um seine CO2 Emissionen zu reduzieren. Mit unserem neuen Produkt "enyway impact" gehen wir das Thema CO2 Kompensation an, denn dieser Bereich ist ein weiterer essenzieller Baustein für ein klimaneutrales Leben.

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