Echte Wärme für Dortmund | emw 2|19

Von Peter Flosbach, Technischer Geschäftsführer, DEW21 und Heike Heim, Vorsitzende der Geschäftsführung, DEW21

Über 100 Millionen Euro investiert DEW21 bis 2023 in den Umbau der Dortmunder Fernwärmeversorgung. Das Neue: Quelle wird vor allem Abwärme aus den Deutschen Gasrußwerken sein. Das Einzigartige: Dortmunder Kunden wählen in Zukunft selbst die Qualität ihrer Wärmeversorgung. Das Ergebnis: Gemeinsames Handeln für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Dortmund.

In den Dortmunder Medien war Mitte Februar 2019 von einem „Glücksfall“ die Rede. Was die Stadtgesellschaft und vor allem die städtischen Archäologen in Aufregung versetzte, trieb den Planern der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW21) allerdings den Schweiß auf die Stirn: Bauarbeiter hatten mitten in der Innenstadt unter dem vielbefahrenen Königswall ein Stück historische Stadtbefestigung entdeckt. Die Fachleute schlossen nach einem Blick auf die Stadtkarte Dortmunds messerscharf, es müsse sich hierbei um das Westenrondell, eine Kanonenplattform aus dem 16. Jahrhundert handeln und meldeten sofort ein paar Tage Untersuchungsbedarf an, um den bedeutenden Fund sorgfältig kartographieren und dokumentieren zu können. Für die Baustelle bedeutete das zwar keinen vollständigen Stopp, aber einen deutlich langsameren Ablauf.

Und dabei drängt durchaus die Zeit, denn die Baustelle auf dem Königswall ist nur eine von vielen innerhalb des großen Fernwärme- Umbauprojekts von DEW21. Das Unternehmen hat sich vorgenommen, bis 2023 nicht nur das in die Jahre gekommene Dampfnetz in der Dortmunder Innenstadt durch ein modernes Heißwassernetz mit geringeren Wärmeverlusten zu ersetzen – geplant ist vielmehr, die Wärmeversorgung der Innenstadt mit dem bereits bestehenden Heißwassernetz der Nordstadt zu koppeln und durch nachhaltige Erweiterungen ein großes Wärme-Querverbundnetz zu schaffen.

Tatsächlich gibt es in Dortmund bislang keine flächendeckende, sondern nur eine punktuelle Fernwärmeversorgung: Historisch bedingt versorgt die Innenstadt im Bereich der Wälle noch ein Dampfleitungsnetz, das aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammt. Nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen hatte sich DEW21 schon sehr früh gegen eine bloße Sanierung dieses Netzes entschieden; viel entscheidender waren die Anforderungen aus der lokalen Energiewende, deren zentrale Herausforderung einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele mit CO2-Minderung ist. Dabei spielt die nachhaltige Wärmeversorgung in den Städten eine zentrale Rolle.

Gefragt sind smarte Versorgungskonzepte, die Innovationen in Verbindung mit regenerativen Quellen, Abwärme und neuen Technologien kombinieren, denn sie bringen ganzheitlich betrachtet den größten Nutzen. DEW21 überzeugt, dass der Ausbau einer nachhaltigen, künftig zunehmend klimaneutralen Wärmeversorgung eine der wichtigsten Stellschrauben für die Erreichung kommunaler Klimaziele ist. Und aktiver Klimaschutz vor Ort ist fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. So ist das Unternehmen bereits an zahlreichen städtischen Initiativen wie dem „Masterplan Energiewende“, dem „Handlungsprogramm Klimaschutz 2020“ und der „Allianz Smart City“ beteiligt.

Abwärmenutzung
Über 100 Millionen Euro wird DEW21 nun in den Umbau der Fernwärmeversorgung bis 2023 investieren. Die Baufortschritte und Umsetzungsgrade sind dabei auch abhängig von Förderzusagen. Maßgeblich für die Realisierung des Projektes ist die Förderung unter anderem aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionalen Entwicklung (EFRE).

Die Bedeutung des Umbaus hat aber vor allem auch etwas mit der Entscheidung von DEW21 zu tun, eine andere Wärmequelle zu nutzen. Bis 2023 will der Versorger auf die Lieferung gasbasierter Wärme aus dem innenstadtnahen Kraftwerk Dortmund verzichten und stattdessen vor allem auf Abwärme setzen. Zum Hauptlieferanten werden die Deutschen Gasrußwerke (DGW), die im Dortmunder Hafen seit 1938 ansässig sind. Der Produzent von Industrierußen für die Reifen- und Chemieindustrie („Carbon Black“) ist seit fast 25 Jahren Partner von DEW21.

Mittlerweile sind die Gasrußwerke international so erfolgreich, dass sich über ihre gesicherte Produktion die Wärmeauskopplung ausbauen lässt. Bei der Produktion von „Carbon Black“ entsteht am Dortmunder Standort industrielle Abwärme in so erheblicher Menge, dass sich die Einkopplung industrieller Abwärme in das neue Dortmunder Wärmenetz in den kommenden Jahren bis auf etwa 235 Gigawattstunden pro Jahr anheben lässt. Dazu müssen allerdings auch die Gasrußwerke in nicht unerheblichem Maß investieren: Noch in diesem Jahr baut das Unternehmen für 5,3 Millionen Euro zwei Wrasenkondensatoren, mit denen es die Energieeffizienz des Standortes erhöht und damit die positive Kosten- und Wettbewerbsposition nachhaltig ausbaut.

Win-Win-Win-Situation
Durch diese intensivierte Kooperation von DEW21 und DGW entsteht eine Win-Win-Win-Situation: Die Stadt Dortmund wird zum Vorreiter nachhaltiger Wärmelösungen, denn andernfalls wäre die im Prozess entstehende Wärme ungenutzt geblieben. Mit der Substitution der gasbasierten Wärmelieferung aus dem Kraftwerk Dortmund durch industrielle Abwärme sinkt die Emissionsfracht von Dortmunds leitungsgebundener Wärme künftig auf deutlich unter 100 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Dies entspricht einer Senkung von jährlich über 45.000 Tonnen CO2 – bildlich gesprochen ist das der jährliche CO2-Ausstoß von etwa 30.000 PKW. DEW21 kann also mit dem neu entstehenden Wärmeverbundsystem in der Dortmunder Innenstadt die von der Bundesregierung gesetzten Klimaziele für 2050 bereits im Jahr 2023 erfüllen.

Für die Absicherung der Wärmeversorgung Dortmunds errichtet DEW21 ergänzend zur Einspeisung der Gasrußwerke drei Energiezentralen mit einer Gesamtwärmeleistung von 128 Megawatt. Der Versorger will diese standortabhängig neben Gaskesseln optional um eine KWK-Anlage sowie Power-to-Heat ergänzen. Während der Umbauphase der Infrastruktur werden die Energiezentralen zunächst der Interimsversorgung, später zur Spitzenlastabdeckung im Regelbetrieb und als Back-up-Lösungen zur Gewährleistung der Versorgungsicherheit dienen. Perspektivisch ist eine weitere dezentrale Einspeisung von Umweltwärme, Abwärme und Wärme aus erneuerbaren Energien in das neue Dortmunder Wärmenetz denkbar.

Innovationsoptionen bietet vor allem der DEW21-eigene Standort „Lindenhorst“, wo mittel- bis langfristig erneuerbare Energiequellen, eine Groß-KWK oder Speichertechnologien entstehen sollen. Zudem kann Erdgas künftig durch synthetische Gase ergänzt beziehungsweise substituiert werden. DEW21 richtet das neue Wärmenetz außerdem bereits auf die mittel- bis langfristigen Anforderungen von bedarfsabhängiger Ein- und Ausspeisung, in netzhydraulischer Hinsicht sowie im Hinblick auf unterschiedliche Temperaurniveaus auf die Anbindung dezentraler Quartierslösungen aus. Die Kopplung aller Sektoren, die intelligente Steuerung der Verteilnetze sowie übergreifendes Denken und Handeln garantieren die Zukunftsfähigkeit der Lösung. Mit dieser nachhaltigen Infrastrukturentscheidung und Investition in die Zukunft setzt Dortmund ein Wärmewendekonzept um, das Vorbild für viele städtische Regionen sein wird.

Infrastruktureingriffe
Die Entscheidung für einen Umbau zu einem innovativen Quartiersverbundsystem in dieser Größenordnung ist allerdings nicht ohne einen Aufbruch im wortwörtlichen Sinn zu bekommen – eine solche Veränderung der Wärmeversorgung im städtischen Raum bedeutet notwendigerweise Eingriffe in die dicht bebaute Infrastruktur. Um die deutlich höheren Wärmemengen vom Dortmunder Hafen in die Innenstadt transportieren zu können, müssen zusätzliche Wärmetransportleitungen gebaut werden. DEW21 wird dazu bis 2021 zwei rund sechs Kilometer lange Trassen neu bauen beziehungsweise verlängern, um jeweils die östliche und die westliche Innenstadt anzuschließen. Der quartiersweise erfolgende Umbau der Innenstadt und der Ausbau der Versorgung entlang der Trassen ist in über 20 Teilprojekten geplant, deren Bauverlauf abhängig ist von Genehmigungen, Förderbescheiden, dem Wetter und besonderen Ereignissen wie dem Evangelischen Kirchentag im Juni 2019 oder eben Stadtmauerfunden.

Das alles kann leider nicht ohne Beeinträchtigungen für die Einwohner und Wärmekunden vonstattengehen. DEW21 hat deshalb ein aktives Bau- und Kommunikationsmanagement installiert: Mit Informations-, Dialog- und Partizipationsangeboten will das Unternehmen den Umbau der Wärmeversorgung nicht nur für, sondern mit den Anspruchsgruppen gestalten. Eine enge Kooperation mit der Stadtverwaltung, der Wirtschaft und der Wissenschaft, vor allem aber auch mit der Stadtgesellschaft ist überdies unverzichtbar. Bürgerdialoge mit Anwohnern im jeweiligen Quartier sind jetzt schon selbstverständlich. Und Interessierte haben mittlerweile nicht nur die Website, sondern auch einen projekteigenen Twitterkanal als stundenaktuelle Informationsquelle zu den Baustellen zur Verfügung.

Innovative Produkte – Qualität entscheiden
Der Fernwärmeumbau liefert aus Sicht des Vertriebs eine Steilvorlage für die Entwicklung einer innovativen, nachhaltigen Wärmeproduktpalette, die den Kunden und seine Bedürfnisse konsequent in den Mittelpunkt stellt.

Die einzigartige Besonderheit: Kunden können die Qualität ihrer Wärmelieferung und damit ihren individuellen Klimaschutzbeitrag zukünftig selbst bestimmen – unabhängig davon, ob sie am Fernwärmenetz angeschlossen sind oder nicht. Damit reduziert DEW21 gegenüber ihren Kunden die gegebene Komplexität technologiegetriebener Wärmelösungen. Der Name der Produktfamilie in Anlehnung an einen bekannten Dortmunder Fußballverein: „Echte Wärme“.

Fünf Produkte sind im Angebot, die sich im Primärenergiefaktor und im CO2-Ausstoß unterscheiden: ideal, klassik, smart, smart+ und exklusiv. Die Kunden wählen aus den fünf Wärmequalitäten die zu ihren Ansprüchen passende aus und schließen einen Zehn-Jahres-Vertrag mit festen Jahresgrund- und Wärmeverbrauchspreisen. DEW21 liefert dann die zur Qualitätserfüllung notwendige innovative Heiztechnik, die entweder auf Fernwärme basieren oder aus Kombinationen von BHKW- oder Pellet-Heizsystemen sowie Wärmepumpen mit modernster Brennwerttechnik bestehen können.

Kunden bestimmen mit ihrer Produktwahl also selbst das Maß der Nachhaltigkeit ihrer Wärmelieferung und damit die Service tiefe, mit der DEW21 die Versorgung sicherstellt. Die Bandbreite reicht von „Echter Wärme exklusiv“, die mit regenerativer Kombitechnik alle CO2-Minderungsziele bis 2050 und zukunftssicher das Gebäudeenergiegesetz erfüllt, bis zur „Echten Wärme klassik“ auf der Basis moderner Brennwerttechnik mit dauerhaft hohem Wirkungsgrad, aber einem Primärenergiefaktor (PEF) von 1,3. In jeder Variante erhalten DEW21-Kunden zusätzlich einen 360-Grad-Rundumservice, der die Begleitung von Planung, Finanzierung und Bau sowie die Wartungs- und Instandhaltungskosten für die Anlage über zehn Jahre beinhaltet.

Das Referenzprodukt „Echte Wärme ideal“ ist dabei die leitungsgebundene Wärme aus dem künftigen Quartiersverbundsystem, die aufgrund ihrer Herkunft als industrielle Abwärme mit herausragenden Werten punkten kann: Sie ist seit Mitte 2018 mit einem PEF von 0,45 zertifiziert und erfüllt damit alle gegenwärtig geltenden gesetzlichen Anforderungen (EnEV/EEWärmeG) für Neubauten. Aber auch im Falle der allgemein erwarteten Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen bietet „Echte Wärme ideal“ auch dann ausreichend Potenzial, denn bis 2030 soll der PEF sogar unter 0,3 rutschen.

Fazit
Heutzutage muss jeder Hauseigentümer, Architekt von Neubauten und Projektentwickler die hohen Anforderungen von EnEV und EEWärmeG bedenken und bei der Wahl einer Wärmetechnologie ökonomische wie ökologische Faktoren abwägen. Interessant ist das Produkt auch für Kunden, die die Bilanz ihrer Gebäude in der Emission klimaschädlicher Gase nennenswert verbessern müssen. Bei unsanierten Bestandsgebäuden aus den 60er und 70er Jahren mit sehr veralteten energetischen Eigenschaften, die bisher mit klassischer Fernwärme versorgt werden, kann die CO2-Reduktion mit dem Einsatz von „Echter Wärme ideal“ bis zu 85 Prozent betragen. Dies erlaubt Hauseigentümern, kostenintensive Energieeffizienzmaßnahmen wie zum Beispiel Dämmung oder Fenstertausch erst verzögert angehen zu müssen. Mit dieser innovativen Produktgestaltung, die zentrale und dezentrale Wärmelösungen transparent zusammenfasst, ermöglicht DEW21 als erstes Versorgungsunternehmen ihren Kunden den einfachen Zugang zu einer der effizientesten Wärmeversorgungen in Deutschland.

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