15.08.22, 10:32 von Karsten Wiedemann und Thorsten Czechanowsky

Berlin (energate) - Die neue Umlage zum Ausgleich von gestiegenen Gasbeschaffungskosten liegt bei 2,419 Cent/kWh pro Kilowattstunde (24,19 EUR/MWh). Das gab der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) am 15. August bekannt. Die Umlage müssen alle Gaskundinnen und -kunden ab 1. Oktober über ihre Rechnung zahlen. Die Umlage liegt damit unter der vom Bundeswirtschaftsministerium erwarteten Maximalhöhe von 5 Cent/kWh. Die im Energiesicherungsgesetz (EnSiG) angelegte Regelung soll Importeure schützen, die wegen ausbleibender Gaslieferungen aus Russland aktuell zu hohen Kosten Gas am Markt besorgen müssen, um zugesagte Lieferungen für ihre Kunden zu erfüllen (energate berichtete). Eine mögliche Pleitewelle bei den Importeuren könnte die gesamte Lieferkette bis zum Endkunden ins Wanken bringen, so die Befürchtung. 

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, die Gasumlage sei kein einfacher Schritt. Sie sei aber notwendig, um die Wärme- und Energieversorgung in den privaten Haushalten und der Wirtschaft aufrechtzuerhalten. "Sonst wäre die Versorgungssicherheit gefährdet", erklärte der Minister.

Zwölf Unternehmen mit Kosten von 34 Mrd. Euro

Insgesamt haben zwölf Gasimporteure bei THE ihre Ersatzbeschaffungskosten angemeldet. Bezogen auf den Umlagezeitraum bis Anfang April 2024 machten diese Gasimporteure 34 Mrd. Euro an Kosten geltend, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Dies entspreche 90 Prozent der erwarteten Ersatzbeschaffungskosten für diese Zeit. Einzelheiten zur Berechnung - wie etwa bei der EEG-Umlage - wurden nicht offengelegt. Laut Habeck handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse. Auch die Namen der zwölf Importeure wurden bislang nicht genannt. Klar ist, dass RWE und Shell im Vorfeld der Veröffentlichung deutlich gemacht haben, dass sie auf Mittel aus der Umlage verzichten.

Für eine vierköpfige Familie in einer Wohnung mit einem Gasverbrauch von rund 13.300 kWh bringt die Umlage eine zusätzliche Belastung von 320 Euro pro Jahr. Angesichts der ohnehin hohen Energiepreise läuft schon seit Längerem eine Debatte, wie Haushalte von den zusätzlichen Kosten entlastet werden können. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte bereits ein weiteres Entlastungspaket an (energate berichtete). Darüber werde in der Koalition derzeit verhandelt, bestätigte eine Regierungssprecherin nach Bekanntgabe der Gasumlage. Diese bewege sich nach ihrer Aussage im erwarteten Rahmen. Auch Habeck kündigte an, dass die Umlage von weiteren, "zielgenauen Entlastungen" für Bürgerinnen und Bürger flankiert werde.

Lindner bittet um EU-Ausnahme

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Im Fokus stand zuletzt, wie mit den Mehrwertsteuereinnahmen aus der Erhebung der Gasumlage umgegangen werden soll. Die Ampel-Koalition hatte mehrfach betont, der Staat dürfe daran nicht verdienen. Nur die Umlage mehrwertsteuerfrei zu stellen, ist EU-rechtlich aber nicht einfach. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich deshalb an EU-Wirtschaftskommissar Paulo Gentiloni gewandt. Dieser soll es den Mitgliedsstaaten ermöglichen, vorübergehend auf staatliche Abgaben im Energiebereich zu verzichten.

Lindner kündigte zudem an, dass Deutschland eine Ausnahme bei der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie beantragen werde. Eine Reaktion aus Brüssel auf das Schreiben ist laut einer Sprecherin des Bundesfinanzministeriums am 15. August noch nicht eingegangen. In einem Pressestatement am Nachmittag betonte Wirtschaftsminister Habeck, dass die Umlage bewusst ohne Steuer ausgewiesen wurde. Sollte die EU einer Ausnahme nicht zustimmen, werde die Bundesregierung andere Wege finden, auf die gewünschte Höhe zu kommen.

BDEW fordert geringere Steuer für Energielieferungen

Auch aus der Energiebranche kommen Forderungen, die Steuern auf Strom- und Gaspreise zu senken. "Aufgrund der steigenden Beschaffungskosten sind weitere Preissteigerungen die Folge, die die Senkung weiterer staatlich induzierter Elemente erforderlich machen", heißt es in einem der Redaktion vorliegenden Papier des BDEW. "Mit einer Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent auf 7 Prozent kann eine substanzielle preisdämpfende Wirkung erreicht werden", so Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Laut Berechnungen des Verbandes könnte die Entlastung durch eine Mehrwertsteuersenkung bis zu 500 Euro pro Jahr betragen - bezogen auf ein Einfamilienhaus mit 20.000 kWh Gasverbrauch. Die Mehrwertsteuersenkung sollte dabei aus BDEW-Sicht für zwei Jahre gelten. Zuvor hatte sich auch der VKU für eine Mehrwertsteuersenkung auf Strom- und Gaslieferungen ausgesprochen (energate berichtete). Beide Verbände halten eine Steuerausnahme nur für die Gasumlage für nicht ausreichend sowie rechtlich schwierig umzusetzen. Bedenken von Finanzminister Lindner versucht der BDEW zu zerstreuen. "Die Einnahmen des Staates würden mit einer Senkung der Mehrwertsteuer immer noch (leicht) über dem Niveau der Einnahmen von einem 'Vor-Coronajahr' wie 2019 liegen", so Andreae.

Fernwärme außen vor

Weiterhin gibt es auch inhaltliche Kritik an der Gasumlage. Nach derzeitigem Stand können etwa Fernwärmeversorger die Umlage nicht erheben. Sie warnen daher, einigen Unternehmen drohten Liquiditätsengpässe (energate berichtete). Auch bei Kundinnen und Kunden mit Festpreisverträgen kann nach Branchenangaben die Umlage nicht weitergegeben werden. Möglich ist daher, dass sich der Bundestag im September noch einmal mit der Verordnung befassen muss. Habeck nannte die Probleme am Nachmittag "handhabbar". Diese Dinge ließen sich seiner Meinung nach einfach lösen. Das müsse aber juristisch sauber gemacht werden, damit es nicht zum Beispiel zu einer doppelten Belastung für Fernwärmekundinnen und -kunden komme, deren Preise aufgrund der Systematik und gestiegener Gaspreise bereits erhöht wurden. /kw/tc