Berlin (energate) - Das Vergabeverfahren für die Berliner Stromnetzkonzession mündet in eine gerichtliche Auseinandersetzung. Die Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin nutzte als einziger der drei verbliebenen Bieter die Rügefristen, die ihm die Senatsverwaltung auf Basis des neuen EnWG eingeräumt hat (energate berichtete). Die Beschwerden von Stromnetz Berlin hat der zuständige Finanzsenat am 29. März mit einem sogenannten "Nicht-Abhilfebescheid" abgewiesen, wie er auf Anfrage mitteilte. Dagegen will Vattenfall beim Landgericht Berlin nun eine einstweilige Verfügung erwirken. "Da die Mängel so erheblich sind, dass ein faires Verfahren im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes nicht gewährleistet ist, werden wir unsere Kritikpunkte gerichtlich überprüfen lassen", sagte ein Vattenfall-Sprecher zu energate. Der Antrag ziele darauf, die Fortführung des Konzessionsverfahrens zu untersagen.
Das Gericht muss jetzt zunächst die Beschwerdeliste abarbeiten, die Vattenfall vorgebracht hat. "Bei über 200 Rügen kann man sich vorstellen, dass da nicht das Interesse an einer schnellen Entscheidung dominiert", sagte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) dem Rundfunk "RBB". Zu klären ist, ob die Vergabekriterien formal korrekt sind. Dazu dürften die Change-of-Control-Klausel gehören oder die Höhe der Pönalen bei Vertragsverletzungen. Unter Juristen werden unterschiedliche Einschätzungen zur Dauer des Verfahrens gehandelt. Sollte Vattenfall sich mit seinen Beschwerden ganz oder teilweise durchsetzen, könnte ein mehrjähriges Gerichtsverfahren in der Hauptsache folgen. Denkbar sei aber auch, dass das Gericht zügig über die einstweilige Verfügung entscheidet und ein geheiltes Vergabeverfahren zum Abschluss gebracht wird. Hier wäre für eine Vergabeentscheidung das Rügepotenzial bereits abgeräumt.
Abseits der juristischen Auseinandersetzung bestehen politische Überlegungen zu einer Kooperationslösung beim Berliner Stromnetz. Vattenfall hat dazu ein Angebot für ein Kooperationsmodell mit dem Land Berlin unterbreitet. In Berlin wird spekuliert, dass dieses auch eine Landesmehrheit bei der Führung des Netzbetriebs einschließt. In der rot-rot-grünen Regierungskoalition in Berlin gibt es aber Vorbehalte gegenüber dieser Variante. Im Koalitionsvertrag hat sie sich die vollständige Rekommunalisierung des Stromnetzes zum Ziel gesetzt. Das Gerichtsverfahren gibt jetzt allen Seiten Gelegenheit, das Kooperationsmodell eingehend zu erörtern. /gk