09.11.16, 13:52

Berlin (energate) - Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) muss nun doch ohne Beschluss einer deutschen Klimaschutzagenda zur UN-Klimakonferenz nach Marrakesch reisen. Ausgerechnet ihr Parteichef, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, hat die Verabschiedung des Klimaschutzplans 2050 durch das Bundeskabinett ausgebremst. "Es gab eine Verständigung zwischen Minister Gabriel, dem Kanzleramt und den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen, bis zum Wochenende noch einige Detailfragen zu klären", sagte eine Sprecherin Gabriels zu energate. Dabei gehe es um ein ausgewogenes Gesamtkonzept, das einerseits einer ambitionierten Klimapolitik gerecht werden müsse, andererseits aber auch der Vermeidung von Strukturbrüchen und der Sicherung von Arbeitsplätzen, betonte sie.

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Welche Details Gabriel nochmals erörtern will, obwohl in Regierungskreisen bereits von einer Einigung auf Staatssekretärsebene die Rede war (energate berichtete), ließ das Ministerium offen. Dem Vernehmen nach geht es vor allem um die Zukunft der Braunkohle sowie um die Sektorziele für die Industrie. Schon zu Beginn der Woche hatten sich die großen Industrieverbände mit deutlicher Kritik zur aktuellen Fassung des Klimaschutzplans zu Wort gemeldet. "Sektorziele lehnen wir ab", war die Botschaft von BDI-Präsident Ulrich Grillo. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Chemieverbandes VCI, sprach von einer "falschen Weichenstellung". Zudem wurde bekannt, dass sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in einem Brief an Gabriel und Hendricks gegen die Pläne zum schleichenden Ausstieg aus der Braunkohlenutzung wehrte.

In beiden Punkten dürften Änderungen am Klimaschutzplan die Folge sein. "Minister Gabriel ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Industrie insgesamt die Herausforderungen bewältigen kann", hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Auch die Idee eines CO2-Mindestpreises kommt wohl noch einmal auf den Prüfstand. Durch eine endgültige interministerielle Verständigung bis zum Wochenende soll Umweltministerin Hendricks Anfang kommender Woche aber zumindest mit einem abgestimmten Papier nach Marrakesch reisen können - auch wenn sich darin nur noch Teile ihrer ursprünglichen Klimaschutzpläne wiederfinden werden. Die offizielle Beschlussfassung durch das Bundeskabinett wird dann nach aktueller Planung bei der nächsten turnusmäßigen Kabinettssitzung am 16. November erfolgen, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.

Teile der Energiewirtschaft beobachten die regierungsinterne Posse um den Klimaschutzplan mit Argwohn. "Deutschland ohne Plan - das schadet vor allem der Wirtschaft, die klare Rahmenbedingungen benötigt", erklärte BEE-Geschäftsführer Hermann Falk. "Klimaschutzpolitik und Pro-Kohle-Politik schließen sich gegenseitig aus", so Falk. BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer betonte hingegen, dass bei einem so richtungsweisenden Dokument "Qualität ganz klar vor Schnelligkeit" gehen müsse. Daher sei es richtig, über strittige Punkte noch einmal zu reden. Die Opposition im Bundestag sieht die Klimapolitik bei der Bundesregierung unterdessen auf dem "Abstellgleis". "Wer sich dem Kohleausstieg verweigert, der hätte das Pariser Klimaabkommen nicht unterzeichnen dürfen", so die Grünen-Politikerinnen Bärbel Höhn und Annalena Baerbock. Umweltverbände sprachen von einem "kohleschwarzen Tag" für die Klimapolitik. /cs

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