07.07.23, 16:36 von Peter Martens
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Innsbruck/Wien (energate) - In Österreich wächst der Unmut über die deutsche Gasspeicherumlage. Der Bilanzgruppenkoordinator A&B hat gegen die Umlage eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht. "Das ist wie ein Zoll. Die Argumentation des deutschen Gesetzgebers und der Bundesnetzagentur ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt", betonte Franz Keuschnig, Vorstand des Bilanzgruppenkoordinators A&B, im Gespräch mit energate. Auch die Wirtschaftskammer Tirol sowie die Industriellenvereinigungen Tirol und Vorarlberg protestieren inzwischen mit einer Beschwerde in Brüssel gegen die Gasumlage. Der deutsche Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) hat die Abgabe ab Juli auf 1,45 Euro/MWh stark erhöht.

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Die Maßnahme verursacht nach Berechnungen von A&B allen Nachbarstaaten Deutschlands Kosten von rund 540 Mio. Euro pro Jahr. Der Bilanzgruppenkoordinator hat sich offizielle Daten von THE und andere öffentliche Quellen angeschaut und dann auf Basis der Gasspeicherumlage von 1,45 Euro/MWh eine Schätzkostenrechnung erstellt. Das Ergebnis: Österreichs Markteilnehmer - und in weiterer Folge die Endkunden - müssen nun 115 Mio. Euro jährlich zahlen. Tschechien ist demnach mit 242 Mio. Euro und die Schweiz mit 67 Mio. Euro betroffen. Weiters zahlen auch die Niederlande 45 Mio. Euro, Polen 40 Mio. Euro, Dänemark 18 Mio. Euro und Frankreich 8 Mio. Euro.

"Aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt"

"Die Umlage widerspricht europäischem Recht", so Keuschnig, Chef des für Tirol und Vorarlberg zuständigen Bilanzgruppenkoordinators A&B. Diese westlichen österreichischen Bundesländer werden ausschließlich über das deutsche Gasnetz versorgt und sind am stärksten von der Abgabe betroffen - daher auch der Protest der Tiroler und Vorarlberger Wirtschaft.

THE: Marktgebietsverantwortlicher und Marktakteur zugleich

Zum Hintergrund: Die Gasumlage soll einen Teil der Milliardenkosten refinanzieren, die dem deutschen Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe (THE) bei der Speicherbewirtschaftung entstehen. Denn Berlin hat genaue Füllstände bei Gasspeichern verordnet - und das ist sehr teuer. Nach der Vorgabe des deutschen Regulators muss THE dafür sorgen, dass deutsche Speicher Anfang Oktober zu 85 Prozent, Anfang November zu 95 Prozent und Anfang Februar zu mindestens 40 Prozent gefüllt sind. Um das zu erreichen, tritt THE nicht nur als Marktgebietsverantwortlicher auf, sondern greift selbst als Käufer und Verkäufer in den Markt ein.

Letzter Punkt erscheint Marktteilnehmern in Deutschland und in Österreich besonders fragwürdig. Nach eigenen Angaben hat THE bis November knapp 50 TWh gekauft - bekanntlich in einer besonders hochpreisigen Zeit. Deutsche Marktteilnehmer hatten dem Gasmarktgebietsverantwortlichen vorgeworfen, den Markt ohne Rücksicht auf Preise leergefegt zu haben. Die Folge waren im vergangenen Sommer Preisspitzen von über 300 Euro/MWh. THE hatte selbst etwa 8,1 Mrd. Euro für die Einspeicherung bezahlt.

Gas verkaufen, um Vorgaben zu erfüllen

Zum Ende des Winters, als die Gaspreise erheblich gesunken sind, verkaufte THE dann wieder knapp 12,5 TWh und erlöste damit knapp 1 Mrd. Euro - also mit Verlusten im Milliardenbereich. "Hier wird vor dem Winter teuer gekauft und nach dem Winter billiger verkauft. Allerdings nicht, um einen Engpass in Deutschland zu lösen, sondern um Füllstandsvorgaben zu erreichen", erklärt dazu A&B-Chef Keuschnig.

Auch deutsche Gashändler und der Händlerverband Efet kritisierten die großen Verwerfungen am Markt. In Österreich sagte ein Marktteilnehmer, der nicht genannt werden will, gegenüber energate: "Hier tritt ein großer Akteur im staatlichen Auftrag sehr erwartbar auf. In Zeiten hoher Preise kauft THE viel zu - und verkauft dann später, mitten in der Energiekrise, wieder. Das ergibt keinen Sinn." Doch die Bundesnetzagentur stellte sich zuletzt mit einem Gutachten noch einmal hinter THE.

Refinanzierung von Milliardenverlusten

Unter dem Strich standen Ende April beim deutschen Marktgebietsverantwortlichen Ausgaben von etwa 8,7 Mrd. Euro in den Büchern. Das Defizit kann absehbar nicht mit dem Verkauf der noch eingespeicherten 37 Mrd. kWh Erdgas gedeckt werden. Zufall oder nicht: Mitte Mai kündigte THE dann eine knappe Verdreifachung der Gasumlage von 0,59 auf 1,45 Euro/MWh an.

Damit reicht THE einen Teil der Kosten, die bei der staatlich angeordneten Befüllung der Gasspeicher entstehen, an die Bilanzkreise weiter. Und über die grenzüberschreitenden "Exits" aus dem deutschen Gasnetz zahlen alle Nachbarstaaten rund ein Drittel der Ausgaben für die deutsche Versorgungssicherheit mit. Genau dagegen richtet sich nun die Kritik aus Österreich.

Weitere Erhöhungen möglich

Wie und wann eine Entscheidung in Brüssel fällt, ist derzeit nicht absehbar. Marktteilnehmer erwarten jedoch, dass die deutsche Bundesregierung die Gasspeicherumlage, die aktuell bis April 2025 befristet ist, im Herbst um weitere zwei Jahre bis 2027 verlängern muss. "Die unangenehme Alternative wäre gewesen, die Gasspeicherumlage zu verdoppeln", heißt es dazu vom Bilanzgruppenkoordinator A&B. Selbst bei einer zweijährigen Verlängerung sei zweifelhaft, ob die Gasspeicherumlage in der jetzigen Höhe reichen werde, um die Defizite abzubauen. /pm