Lokale Angebote vernetzen: Das Stadtwerk als digitaler Hub | emw

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Gastbeitrag von Ralf Leufkes, leitender Berater und Innovationsmanager, items GmbH
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Eine Stadt ist ein komplexes Ökosystem, das über eine hohe Anzahl unterschiedlichster Marktplätze verfügt. Sie stellt wirtschaftliche Mechanismen wie den Einzelhandel und Lager bereit, bietet Mobilität, religiöse Institutionen, Freizeit sowie kulturelle Einrichtungen und vieles mehr. Bei dieser Vielzahl von Akteuren und deren Angeboten können die Bürger eine große Anzahl an Produkten konsumieren, die eine Gemeinsamkeit aufweisen: In der Regel findet keine Vernetzung der lokalen Angebote statt. Die in Münster beheimatete items GmbH will mit der Plattform CityLink die Möglichkeit schaffen, all diese Angebote in einer App zu bündeln und so einen Lückenschluss zwischen dem Stadtwerk, unterschiedlichsten Produktanbietern und den Konsumenten zu vollziehen.

Persönliche Vorlieben, Gewohnheiten, Lebensumstände und das höchst unterschiedliche Vorhandensein von Mitteln prägen die Gestaltungsmöglichkeiten und -vorhaben jedes Einzelnen. Sich für die eigene Freizeitgestaltung einen Überblick zu verschaffen, fällt dabei den meisten Menschen bei der immer größer werdenden Menge an Informationen zunehmend schwer. Allein der Umstand, eine Website zu finden, auf der man alle kulturellen Angebote im Überblick finden kann, ohne nochmals zusätzliche Veranstalter und Drittanbieter anzuwählen, ist anstrengend und zeitraubend. Eine einheitliche Lösung, bei der sowohl der Überblick über das kulturelle Angebot der Stadt, attraktive Kombinationen aus unterschiedlichen Offerten und alle dafür notwendigen Tickets ohne lange Wartezeiten gebucht werden können, ist das, was der Bürger heute erwartet. Er will seine Aktivitäten schnell und zentral steuern können, ohne dafür viel Zeit zu opfern.

Plattformpotenzial vorhanden – das Stadtwerk als kommunaler Versorger
Das ständig wechselnde regionale und lokale Event- und Freizeitangebot zu durchschauen, bedeutet für den Freizeitsuchenden Aufwand, den er nur widerwillig einzugehen bereit ist. Ist es nicht viel praktischer, den Ausflug zum Zoo über einen Dienst zu buchen, bei dem es noch das ÖPNV-Ticket auf der Hinfahrt, den E-Roller auf der Rückfahrt sowie ein kombiniertes Angebot mit der Eisdiele gibt? Natürlich. Doch dieses Angebot gibt es heute noch nicht, weil einzelne Akteure zumeist nicht in der Lage sind, die aufwendigen, formalen Hürden zu überwinden, die mit einer solchen Kombinationsmöglichkeit verbunden sind, oder weil ihnen vielmehr die Zeit, das Geld oder die notwendige Infrastruktur fehlt. Entweder es liegt keine Digitalisierung des Angebots vor oder die Produkte müssen jeweils einzeln, mittels einer digitalen Lösung, zum Beispiel einer App, gekauft werden. CityLink ist eine Plattform, über die sich die Anbieter einzelner lokaler Services untereinander vernetzen können, um dem Endverbraucher die eigenen Produkte und auch Produkt-Bundles anbieten zu können und das auch mit Preisvorteil für den Bürger. Über einen eigenen Account kann jeder Anbieter selbst entscheiden, zu welchen Konditionen und in welchem Umfang er einen Service anbieten möchte. So kann beispielsweise der Zoo seinen Preis abhängig vom Wetter oder dem geographischen Standort des Kunden individualisiert anbieten. Gleichzeitig kann er definieren, ob er das eigene Angebot mit dem eines anderen Anbieters kombinieren möchte.

Dem Konsumenten kann z. B. die Kombination eines Zootickets mit einem Eis angeboten werden. Dazu macht der Zoo der Eisdiele ein Angebot und diese kann überlegen, ob sie dieses annehmen will. Erst bei Annahme des Angebots wird dieses Produkt-Bundle veröffentlicht und damit dem Endverbraucher angeboten.

Für die erfolgreiche Implementierung der Plattform sind gerade lokale Energieversorger ideal. Durch ihre guten kommunalen Verbindungen in die Politik und Wirtschaft sind sie in der Lage, sowohl kommunale Einrichtungen als auch die Privatwirtschaft miteinander zu vernetzen. Ergänzt wird dieser strategische Vorteil durch die eigene Infrastruktur des Stadtwerks, das als Querverbundunternehmen oft Schwimmbäder und/oder den öffentlichen Nahverkehr betreibt. Begünstigt durch den hohen Vertrauensstatus innerhalb der Kommune fällt es vielen Akteuren leichter, Daten ihrem Stadtwerk anzuvertrauen.

Über die Plattform soll die Stadt digital buchbar und für ein breites Publikum verfügbar gemacht werden. Ganz gleich ob kostenfreie oder kostenpflichtige Angebote: Im Mittelpunkt steht die Vernetzung aller Akteure. Der Bürger wird zum digitalen Produktmanager, der Anbieter zum kreativen Kooperationspartner und das Stadtwerk wird seiner Rolle als kommunaler Player und Initiator gerecht. Da die Plattform durch ein Stadtwerk betrieben wird, verbleiben die Daten in der eigenen Stadt, anstatt diese Google zu überlassen.

CityLink trägt somit aktiv zur lokalen Wirtschaftsförderung der jeweiligen Stadt bei, kombiniert mit der Vernetzung von Leistungen in der Stadt. Das Stadtwerk übernimmt dabei sowohl die Rolle des Vermittlers zwischen den Marktakteuren als auch die eines Dienstleisters für die Förderung der lokalen Wirtschaft in der eigenen Stadt. Mit der Plattform wird das Stadtwerk zum einen befähigt, den Prozess der Digitalisierung erfolgreich zu beschreiten und nicht mehr als bloßer Energielieferant, sondern allgemein als Versorger aufzutreten. Zum anderen wird gleichzeitig eine zunehmende Vernetzung innerhalb der Stadt erreicht, wodurch sich die Lebensqualität für den Bürger in einer Stadt steigern lässt.

Komplexität lässt sich nicht mit etablierten Methoden beherrschen
Für die Entwicklung der CityLink-Plattform wurden Entwicklungspartner aus unterschiedlichsten Bereichen hinzugezogen. Natürlich waren auch Stadtwerke involviert. Im Entwicklungsprozess zeigte sich, dass sich die Vielfalt an Ideen und die möglichen Use-Cases als nahezu endlos darstellten. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, wurden agile Methoden fokussiert, welche die Anwender und ihre Fragestellungen in den Vordergrund stellten. Unter anderem war die Arbeit mit Personas ein wichtiges Werkzeug. Sie wurden am Anfang des Prozesses gemeinsam definiert und boten die Möglichkeit, den Lösungsansatz sowie den gesamten Designprozess auf die Zielgruppen zuzuschneiden und dabei auch iterativ Ansätze zu hinterfragen.

Ein Ergebnis dieses Prozesses war zum Beispiel, die Anbieterseite und somit das Angebotssortiment nicht nur auf die Produkte z. B. eines Stadtwerks zu beschränken, sondern hinsichtlich der Anbieter eine breite Auswahl zu nutzen. Das Gleiche galt für die Seite der Konsumenten. Der Fokus lag hier nicht nur auf dem Stadtwerkekunden, sondern auf allen Konsumenten einer Stadt. Ein weiteres Ergebnis in diesem Prozess war die Entscheidung, potenzielle Anbieter und repräsentative Vertreter für die fokussierten Kunden-Persona-Gruppen zu interviewen, mit dem Ziel, den gesamten Ansatz der Plattform und mögliche Ausbauvarianten und Funktionsausprägungen zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.

Inspiration ist wichtiger als Vollständigkeit
Bei den offenen Interviews wurde auch der Digitalisierungsgrad der Anbieter erfragt. Insgesamt wurden 30 Interviews geführt, welche die Kunden-Persona-Gruppen abgebildet haben. Die Bereitschaft der Umstellung aller Lebensbereiche auf digitale Prozesse war unterschiedlicher ausgeprägt als zuvor angenommen. Das hatte zur Folge, dass die Nutzererfahrung von CityLink hochwertig gestaltet werden musste. Eine einfache Menüführung und die intuitive Bedienbarkeit stellten sich als zwingend erforderlich heraus. Gleichzeitig muss für den Anbieter ein spürbarer Mehrwert erzielt werden. Das bedeutet, dass die Angebotssuche, das Finden und Auswählen nicht mehr als ein paar Minuten in Anspruch nehmen darf. Ein Angebot zu pflegen oder neu aufzunehmen, muss ebenfalls ein zeitlich sehr überschaubarer Prozess sein, der als nicht störend empfunden wird. Neue Produktvarianten, die vorher nicht bestanden, weil sie im analogen Leben nicht möglich waren, oder Kooperationen zwischen zwei Anbieter-Partnern müssen ebenfalls einfach und ohne große Abstimmungshürden zwischen den Partnern eingerichtet werden können. Ebenfalls durften z. B. Validierungsprozesse für Tickets sowie die im Hintergrund ablaufenden kaufmännischen Prozesse keine für den Endkunden spürbaren Blockaden darstellen. Auf der Konsumentenseite hat sich herauskristallisiert, dass ein personalisiertes Angebot von allen gewünscht wird. Dabei stellte sich heraus, dass es wichtiger ist, entsprechend der persönlichen Vorlieben inspiriert zu werden, als einen möglichst vollständigen Überblick über das gesamte Angebot zu bekommen. Die Möglichkeit, in diesem Prozess auch gleichzeitig ein Ticket kaufen zu können und damit als e-Ticket immer dabei zu haben, war dabei entscheidend. Die Option, mit Kombinations- beziehungsweise Bundleangeboten attraktivere Preise zu bekommen, war ebenfalls eine wünschenswerte Funktion. Auch hier darf der Prozess von der Inspiration bis zum Ticketerhalt nicht länger als ein bis zwei Minuten dauern.

Kommunaler Player als Enabler der Stadt
Die Ergebnisse der Entwicklungsphase zeigen eines ganz deutlich: Sowohl die Anbieter als auch die Konsumenten wünschen eine konsequente Unterstützung durch eine solche Plattform. Der digitale und lokale Marktplatz mit personalisierten Angeboten ist jedoch nicht nur mit Software umzusetzen. Entscheidend für die nachhaltige Etablierung der Plattform ist der Content, der von einem starken und aktiven Betreiber bereitgestellt werden muss. Das Stadtwerk ist ein solcher Betreiber, der ein attraktives, eigenes Angebot bietet, lokal in der Wirtschaft und gut im Handel vernetzt ist sowie eine gute Beziehung zur Stadt und zum Marketing der Stadt hat. Gleichzeitig wird das Stadtwerk von den potenziellen Konsumenten bereits als Marke wahrgenommen, die für Vertrauen, Stabilität und Seriosität der Angebote steht. Neben dem Ausbau der eigenen Marke als Enabler der Stadt und dem Auf- oder Ausbau digitaler Produkte, die bei CityLink mit der Freizeit der Bürger verknüpft sind, steckt das größte Potenzial einer solchen Plattform für das Stadtwerk in der langfristigen Kundenbindung. Durch eine Art Premium-Funktion können Stadtwerkekunden zum Beispiel spezielle Angebote oder besondere Rabatte bekommen.

CityLink ist bereits der Konzeptionsphase entwachsen und als Prototyp in der Entwicklung. Noch in diesem Jahr werden weitere, entscheidende Schritte zur Produktion der Plattform vollzogen. Es besteht auch noch bis Mitte September die Möglichkeit, als Entwicklungspartner einzusteigen.

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