Elektromobilität: Geschäftsmodelle für Energieversorger | emw.trends

VON HEINER HÜPPELSHÄUSER – HOCHSCHULE ESSLINGEN

Auf den ersten Blick wirkt das Prinzip der Elektromobilität bestechend einfach: Batterie statt Verbrennungsmotor, Strom statt Kraftstoff. In der Praxis besteht aber sowohl bei den Fahrzeugen selbst als auch bei der Bereitstellung von regenerativ erzeugtem Strom an den unterschiedlichen Ladepunkten noch Optimierungspotenzial. Für Energieversorger bieten sich hier, zusätzlich zur Stromlieferung, vielfältige Ansätze zum Aufbau eines Dienstleistungsportfolios.

Der Anteil von Elektrofahrzeugen (Battery Electric Vehicles) im Fahrzeugmarkt ist zwar noch gering, jedoch weist der Verkauf von Elektroautos kontinuierlich hohe Wachstumsraten auf. Zunehmende Fahrzeugangebote, eine sich verbessernde Wirtschaftlichkeit, die  Umweltgesetzgebung, aber auch Quotenvorgaben sorgen für eine weiter steigende Nachfrage und damit für eine zunehmende Relevanz der Elektromobilität.
Bei einer ökologischen Komplettbetrachtung sind Elektrofahrzeuge allerdings nur bei Beladung
mit Erneuerbaren-Strom wirklich CO2-frei. In nächster Zeit stellt die Bereitstellung einer
entsprechenden Ökostrommenge kein Problem dar. Bei Annahme einer Anzahl von einer Million
Elektrofahrzeugen in Deutschland mit jeweils einer Jahresfahrleistung von 15.000 km würde
weniger als zwei Prozent der bereits heute in Deutschland von EE-Anlagen erzeugten Strommenge für die Beladung der Fahrzeuge benötigt.

Benötigte Beladungsleistungen
Demgegenüber können die Beladungsvorgänge für die Fahrzeugbetreiber und gegebenenfalls für die Netzbetreiber eine Herausforderung darstellen. Hierzu zeigt die Tabelle wesentliche Unterschiede im Betankungs- beziehungsweise Beladeprozess von Elektrofahrzeugen und Verbrennern. Beim Betanken von Verbrennern erreichen Zapfsäulen typische Förderleistungen von 30 Litern Brennstoff pro Minute. Umgerechnet entspricht dies einer Beladungsleistung von 15.300 Kilowatt. Die Kraftstoffmenge zum Zurücklegen einer Distanz von 500 km lässt sich in nur 1,1 Minuten tanken.

Zur Beladung von Elektrofahrzeugen werden derzeit Ladeleistungen von 3,6 bis 150 Kilowatt eingesetzt. Die Ladedauer für eine Reichweite von 500 km beträgt selbst mit Schnellladesäulen mindestens eine halbe Stunde. Verwendet man eine einfache, über die Haushaltssteckdose arbeitende Ladetechnik, beträgt die Ladezeit für die obengenannte Strommenge 20 Stunden.

Die beim Zurücklegen größerer Distanzen anfallenden 30 Minuten Ladezeit werden eventuell nicht von allen Kunden akzeptiert. Neue Premiumfahrzeuge sind deshalb für höhere Ladeleistungen konzipiert. Ladetechniken hierzu befinden sich in der Entwicklung.

Ladeleistungen bis 22 Kilowatt werden typischerweise über Wechselstrom bereitgestellt. Ein Schnellladen erfolgt mit Gleichstrom, unter anderem, um den Einsatz schwerer elektrischer Bauteile im Fahrzeug zu vermeiden. Zur Versorgung mehrerer Schnellladesäulen, etwa an einer (Autobahn-)Tankstelle, sind Anschlüsse an ein Mittelspannungsnetz notwendig.

Unterstützung beim Laden zu Hause
Feldtests zeigen, dass viele der von Berufstätigen genutzten Elektrofahrzeuge in den frühen Abendstunden zum Nachladen zu Hause an das Stromnetz angeschlossen werden. Bei einem ungeregelten Ladevorgang entsteht zu Ladebeginn eine Leistungsspitze. Sie fällt mit der in typischen Haushaltsstromprofilen auftretenden frühabendlichen Leistungsspitze zusammen und führt so gegenüber dem reinen Haushaltsstromverbrauch zu einer knapp 80-prozentigen Erhöhung der Bezugsleistung. Bei Beladung einer zunehmenden Anzahl von Elektrofahrzeugen in einem Niederspannungsnetz können Belastungsgrenzen der Netze erreicht, beziehungsweise überschritten werden.

Ein Lademanagement, das temporär die Ladeleistung begrenzt, kann den teuren Netzausbau vermeiden. Der beginnende Smart-Meter Rollout bietet den Kunden unterschiedliche Tarifoptionen. Diese berücksichtigen Aspekte der Netzauslastung sowie der jeweiligen Börsenstrompreise. Eine netzdienliche Beladung ermöglicht geringere Stromkosten, während die sofortige und kontinuierliche Bereitstellung der maximalen Ladeleistung zu höheren Stromkosten führt.

Batteriespeicher zur Netzstabilisierung
Ergänzend zum Lademanagement wird in Forschungsprojekten der Einsatz von Batteriespeichern zur Netzstabilisierung untersucht. Wirtschaftliche Optimierungen sehen zusätzlich eine Vermarktung der Batteriespeicher außerhalb der Spitzenlastzeiten für die Fahrzeugbeladung vor.

Besitzer von PV-Anlagen streben eine Fahrzeugbeladung mit „selbst erzeugtem Strom“ an. Die geringe Sonneneinstrahlung in den Abendstunden ermöglicht aber für den Ladevorgang zur Feierabendzeit nur geringe Beiträge der PV-Anlage. Deutlich verbessern lässt sich der Autarkiegrad durch den ergänzenden Einsatz von Batteriespeichern im Gebäude. Bei ungeeigneter Abstimmung zwischen Batteriespeicher und Beladeleistung des Elektroautos bleibt dennoch ein nennenswerter Netzstrombezug notwendig. Eine geeignete Dimensionierung kombiniert mit einem Energiemanagementsystem verbessert den Autarkiegrad. Diese Systeme können Energieversorger ergänzend zum Anlagencontracting anbieten.

Besondere Relevanz von Gewerbeund Industriekunden
Bei einem weiteren Markthochlauf der Elektromobilität kommt dem Markt für Firmenfahrzeuge eine besondere Bedeutung zu, da ca. 60 Prozent der in Deutschland neu zugelassenen Pkw gewerblich genutzt werden. Der Fahrzeugpark wird gegenüber der privaten Fahrzeugnutzung in deutlich kürzeren Intervallen erneuert. Energieversorger können Industrie- und Gewerbekunden in Zusammenhang mit dem Aufbau eines E-Fuhrparks ein breites Portfolio an Dienstleistungen anbieten: Zum Beispiel Unterstützung bei der Zusammenstellung der Fahrzeugflotte, Energielieferung oder Stromerzeugung vor Ort im Rahmen von Contracting- Projekten, Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur, Lastmanagement, etc.

Die oben genannte Problematik der Beladung von Privatfahrzeugen in Wohngebieten lässt sich auf die Beladung von Fahrzeugen eines Firmen-Fuhrparks übertragen. Ein Lademanagement und der Einsatz eines Batteriespeichers helfen, eine teure Verstärkung des Netzanschlusses oder weitere Leistungsspitzen zu vermeiden. Verknüpft man das Lastmanagement des Unternehmens mit der Vermarktung der Batteriekapazitäten in Zeiten geringer Nutzung, entstehen zusätzliche Synergieeffekte.

Platzierung öffentlicher Ladesäulen
Der wirtschaftliche Betrieb öffentlicher Ladesäulen erfordert deren Platzierung an Standorten, die eine hohe Nutzerfrequenz und große Nachfrage nach Fahrzeugbeladungen ermöglichen. In Abschlussarbeiten an der Hochschule Esslingen konnten Optimierungspotenziale bei der Konzeption von Ladeinfrastrukturen in urbanen Räumen identifiziert werden. Hierbei wurden Lage- und Nutzerfrequenzen von Points-of-Interest, Verkehrsströme und die Besiedlungsstruktur berücksichtigt.

Fazit
Der Artikel zeigt die Bandbreite der anfallenden Aufgaben der Energiewirtschaft flankierend zum Markthochlauf der Elektromobilität. Gleichzeitig ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zum Angebot von Energiedienstleistungen, die den Kunden Arbeitsentlastungen und Kostenvorteile erbringen. Einen tiefgreifenden Einblick in das Thema bietet das Seminar „Energiewirtschaftliche Aspekte der Elektromobilität“ der con|energy akademie.

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