01.03.24, 14:59 von Heiko Lohmann

Berlin (energate) - Mit einer Verkleinerung des Wasserstoffkernnetzes oder einer zeitlichen Verschiebung können unnötige beziehungsweise verfrühte Investitionen vermieden und Netzkosten reduziert werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und die Deutsche Energieagentur (Dena). Erstellt wurde es von vier Forschungsinstituten unter der Projektleitung der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie. Aufgabe des Gutachtens war eine Überprüfung des Finanzierungmodells für das Wasserstoffkernnetz. Das Papier ist datiert auf den 14. Februar und liegt energate vor.

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Grundsätzlich soll das Wasserstoffkernnetz durch kostendeckende Entgelte finanziert werden. In der Anfangsphase wird das Netz aber vermutlich nur gering ausgelastet sein, kostendeckende Entgelte müssten so hoch sein, dass der Markthochlauf erschwert oder verhindert wird. Deshalb soll es ein spezielles Markthochlaufentgelt geben, das anfangs nicht kostendeckend ist, aber in einer späteren Marktphase über den Netzkosten liegt. Auf einem Amortisationskonto werden die Differenzen zwischen dem Entgelt und den Netzkosten verbucht. Bis 2055 soll das Konto ausgeglichen sein. Ist dies nicht der Fall, gleicht der Bund das Konto aus, die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) müssen sich mit 24 Prozent an dem Ausgleich beteiligen.

Ist absehbar, dass der Hochlauf scheitert, kann der Bund frühestens Ende 2038 jährlich das Konto kündigen. Die Kündigung tritt ein Jahr später in Kraft. Der Selbstbehalt der FNB sinkt mit jedem Jahr einer vorzeitigen Beendigung des Kontos um 0,5 Prozent. Ob der Selbstbehalt von 24 Prozent angemessen oder zu hoch ist, ist umstritten. Die FNBs, aber auch die Bundesländer und etliche Marktteilnehmer wollen eine Absenkung auf 15 Prozent, um die Kapitalmarktfähigkeit der Netzfinanzierung zu sichern.

Mehr Speicher, keine KWK-Anlagen

Aber die Höhe des Selbstbehaltes ist nicht Gegenstand des Gutachtens. Im Kern wird analysiert, unter welchen Bedingungen und bei welchem Markthochlaufentgelt ein Ausgleich bis 2055 realistisch ist. Basis der Analysen ist ein Modell, das die FNB selbst zur Abschätzung des Markthochlaufentgelts und des Ausgleichs des Kontos entwickelt haben. Grundsätzlich seien dieses Modell und seine Annahmen sachgerecht, konstatieren die Autoren des Gutachtens. Sie haben das Modell aber angepasst.

Anders als die FNBs unterstellen sie keinen linearen Markthochlauf, sondern eine Entwicklung, die dem "Strom-Szenario" in den Langfristszenarien für das BMWK entspricht. Im Vergleich zu dem FNB-Modell wird in den Langfristszenarien weniger Wasserstoff transportiert, da Turbinen anstelle von KWK-Anlagen zur Stromerzeugung eingesetzt werden und weniger Wasserstoff importiert wird. Dafür kommen stärker Speicher zum Einsatz. Dieses Vorgehen sei besser geeignet, so die Gutachter, die Robustheit des Finanzierungsmodells zu testen.

Hochlaufentgelt durchaus unterschiedlich

Wenn der Markthochlauf wie geplant funktioniert, dann ist das Finanzierungsmodell geeignet, dies zu unterstützen. Ein Markthochlaufentgelt von 15 Euro/kWh/h/a reicht aus, um schon 2048 für einen Ausgleich des Kontos zu sorgen. Wenn sich der Hochlauf aber verzögert oder sich Kosten anders entwickeln als von den FNB angenommen, sieht dies anders aus. Die Gutachter haben verschiedene Szenarien mit möglichen Abweichungen von einem Basishochlauf analysiert und dies zu einem "sehr adversen Szenario" zusammengefasst. In diesem Szenario wird ein Netzentgelt von 35 Euro/kWh/h/a benötigt, um das Konto 2052 auszugleichen. Aus Sicht der Gutachter könnte ein solches Entgelt vor allem für Kraftwerke, die nur 500 Stunden im Jahr laufen, zu hoch sein. Für solche Kraftwerke betrage das spezifische Netzentgelt 70 Euro/MWh. Es sei dann möglicherweise günstiger, "Speicherkraftwerke" zu betreiben, bei denen lokal ein Elektrolyseur, Speicher und ein Kraftwerk kombiniert werden. In Norddeutschland mit den großen Kavernenfeldern sei dies möglich.

Die Gutachter betonen mehrfach, die Entwicklung des Markthochlaufs, der Rahmenbedingungen und des angemessenen Markthochlaufentgeltes sei nicht abschätzbar. Deshalb solle bei der Planung des Netzes vorsichtig agiert werden. Da vor 2028 ohnehin mit einem Markthochlauf nicht zu rechnen ist und Wasserstoffkraftwerke noch länger auf sich warten lassen werden, sei dies auch unkritisch. Der Projektleiter der Studie, Benjamin Pfluger, hatte bei der Anhörung zur Wasserstoffkernnetz-Finanzierung im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie argumentiert, es sei sinnvoller, durch Planungsanpassungen Risiken zu minimieren, als den Selbstbehalt zu reduzieren. /hl

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