Berlin (energate) - Trotz der Zunahme von ungeförderten Wind- oder Solarprojekten ist für einen Teil der Neubauvorhaben auch in Zukunft eine staatliche Absicherung notwendig. Das geht aus einem Zwischenbericht der Plattform Klimaneutrales Stromsystem hervor, den das Bundeswirtschaftsministerium veröffentlicht hat. Die Bundesregierung hat das Gremium im Februar im Haus von Minister Robert Habeck (Grüne) eingerichtet, um ein Marktdesign zu entwickeln, das auf einer 100-prozentigen Versorgung mit erneuerbaren Energien beruht. Das Gremium tagt dabei in verschiedenen Arbeitsgruppen, unter anderem zu erneuerbaren Energien oder Flexibilisierung.
Die Experten bezweifeln dabei, dass ohne eine Fortsetzung einer staatlichen Risikoabsicherung beziehungsweise Förderung von Erneuerbaren im aktuellen Marktrahmen ausreichend Anreize entstehen, um die Ausbauziele bei erneuerbaren Energien zu erreichen. Gründe dafür sind die Inflation, steigende Finanzierungskosten, aber auch der Rückgriff auf weniger ertragreiche Standorte. Offen ist dabei auch, ob sich die Anlagen in einem vollständig auf erneuerbaren Energien beruhenden Stromsystem am Markt finanzieren können. "Inwieweit Neuinvestitionen rein marktgetrieben in einem vollständig dekarbonisierten Stromsystem rentabel sein werden, könne noch nicht robust abgeschätzt werden und hänge auch vom zukünftigen Marktdesign ab", heißt es in dem Bericht.
Der Bundesverband Erneuerbare Energie, neben anderen Verbänden Mitglied in der Plattform, spricht sich dabei für eine Abkehr der bisherigen zeitlichen Förderung von 20 Jahren hin zu einer mengenbasierten Förderung aus (energate berichtete). Kritisch sieht der Verband, wie auch andere Teilnehmer der Plattform, die von der EU-Kommission vorgeschlagene Umstellung der Erneuerbarenförderung auf zweiseitige Differenzkontrakte (CfD). Der Energieausschuss des Europäischen Parlaments hatte dies zuletzt ebenfalls abgelehnt. "Maßstab muss das bleiben, was gut für den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort ist. In der zentralen Phase der Energiewende darf es keine neuen Verunsicherungen am Markt geben", so BEE-Präsidentin Simone Peter in einer Mitteilung zum Zwischenbericht.
Netzentgeltsystematik hemmt Flexibilisierung
Klar ist dabei, dass ein erneuerbares Stromsystem einen höheren Flexibilitätsbedarf auf der Verbrauchsseite erzeugt. Als zentrales Hemmnis für die notwendige Flexibilisierung machen die Experten einmal mehr die bestehende Netzentgeltstruktur aus, die etwa auf Industrieseite Anreize für einen kontinuierlichen Energieverbrauch setzt. Noch keine Einigkeit besteht darin, ob sich dieses Hemmnis mit einer großen Netzentgeltreform oder mit einer "Optimierung des bestehenden Systems" abräumen lässt. Dieser Frage wollen die Fachleute in den kommenden Sitzungen nachgehen.
Diskussion über Kapazitätsmärkte
Noch offener scheint die Diskussion beim Thema Finanzierung steuerbarer Erzeugungsleistung, also etwa gas- oder wasserstoffbefeuerter Kraftwerke. Für die Versorgungssicherheit sind diese nach Meinung der Plattform weiter notwendig. Die Frage der Anreize für Investoren, also etwa über Kapazitätsmärkte, ist aber komplex, geht es doch etwa darum, Überkapazitäten zu vermeiden und verschiedene Technologien zu fördern. Eine eindeutige Positionierung ist dem Zwischenbericht nicht zu entnehmen, zumindest wird aber die Erkenntnis geteilt, dass "Zweifel an der ausreichenden Investitionssicherheit im Energy-Only-Markt" zugenommen haben.
Die Plattform Klimaneutrales Stromsystem wird im zweiten Halbjahr 2023 weiter tagen. Ein zweiter Bericht ist vorgesehen. /kw