26.07.23, 15:08 von Carsten Kloth
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Berlin (energate) - Die Bundesregierung hat die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach im Anschluss an die von ihm geleitete Kabinettssitzung von einem "schicken Gemeinschaftswerk". Damit werde der Rahmen für eine neue Phase im Wasserstoffhochlauf gesetzt. Mit der überarbeiteten Strategie erhöht die Bundesregierung das Ziel für die Wasserstoffproduktion in Deutschland bis 2030 von 5 auf 10 GW (energate berichtete). Klar ist dabei, dass der Großteil des bis Ende des Jahrzehnts erwarteten Wasserstoffbedarfs von 95 bis 130 TWh aus Importen kommen muss. Habeck geht davon aus, dass etwa zwei Drittel des Bedarfs importiert werden müssen.

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Die Wasserstoffstrategie enthält erste Eckpunkte für die angekündigte Importstrategie, befasst sich aber auch viel mit dem Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur. Hierfür hatte die Bundesregierung Ende Mai mit der aktuellen Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) den Rahmen für ein Wasserstoff-Kernnetz für Deutschland beschlossen. Bis 2028 will sie hierzulande ein Startnetz von 1.800 km Wasserstoffleitungen aufbauen. Europaweit kommen über das "European Hydrogen Backbone" etwa 4.500 km hinzu. Bis 2030 sollen alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den relevanten Abnehmern verbunden sein.

"Wir fördern grün und nehmen alles"

Geeinigt hatten sich die fünf Wasserstoff-Kernressorts (Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium, Entwicklungs-, Forschungs- und Umweltministerium) auch auf mehr Raum für Wasserstoff, der z.B. aus Erdgas gewonnen wird (energate berichtete). "Die Nutzung von grünem und, soweit in der Markthochlaufphase notwendig, kohlenstoffarmem blauem, türkisem und orangem Wasserstoff wollen wir auf der Anwendungsseite in begrenztem Umfang unter Berücksichtigung von ambitionierten THG-Grenzwerten, einschließlich der Emissionen der Vorkette sowie der Erhaltung des gesetzlichen Ziels der Klimaneutralität, auch fördern", heißt es dazu in der Strategie. Dies betrifft die Anwendung. Die direkte finanzielle Förderung der Erzeugung ist laut Strategie auf grünen Wasserstoff begrenzt. "Wir fördern grün und nehmen alles", sagte Habeck im Anschluss an die Kabinettssitzung. Dies sei vorübergehend notwendig, um den Hochlauf anzuschieben.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert dies: "Statt auf heimische Potenziale zur Produktion von grünem Wasserstoff zu setzen, zielt die Bundesregierung mit ihrer Strategie vorrangig auf Importe per Schiff, auch von blauem Wasserstoff", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. Der sei durch seine Vorkettenemissionen aber nicht nur viel klimaschädlicher als grüner Wasserstoff, sondern auch teurer. Auch Umweltverbände sehen das kritisch. "Die vorgesehene Förderung von blauem Wasserstoff ist ein Festhalten an alten, fossilen Strukturen, verhindert mittelfristig eine grüne Transformation und setzt kurzfristig falsche Anreize bei den anstehenden Infrastrukturplanungen", sagte beispielsweise Christiane Averbeck, Vorständin der Klima-Allianz Deutschland und Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates.

"Es wird schneller gehen als gedacht"

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßt hingegen, dass die Strategie nun auch blauen, türkisen und orangenen Wasserstoff berücksichtigt. "Bis zur ausreichenden Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff, ist die Industrie auf Alternativen angewiesen", sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI. Für einen erfolgreichen Wasserstoffhochlauf müssten die Maßnahmen nun schnell umgesetzt werden.

Der Energieverband BDEW bezweifelt jedoch, dass die Maßnahmen ausreichen, um die Ziele zu erreichen. "Insbesondere muss die Bundesregierung ihr Ziel von 10 GW heimische Elektrolysekapazität bis 2030 mit mehr konkreten Maßnahmen und Förderprogrammen unterfüttern - sowohl auf Erzeugungs- als auch auf Nachfrageseite", sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Der Verband verwies auch auf den zunehmenden internationalen Wettbewerb beispielsweise durch den Inflation Reduction Act (IRA), mit dem die USA u.a. ihre Wasserstoffwirtschaft fördern. Wirtschaftsminister Habeck geht davon aus, dass es auch hierzulande nun "schneller gehen wird als gedacht". Auch die Kosten würden schnell sinken. Das Förderinstrument "H2 Global" soll beispielsweise günstigste Preise sicherstellen (energate berichtete). /ck

Portrait von Carsten Kloth
Carsten Kloth
Redakteur

Über eine langjährige Tätigkeit beim Berliner Tagesspiegel und Station beim Wirtschaftsmagazin bizz energy führte mich mein Weg im Oktober 2020 in die Politikredaktion von energate.

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