11.05.23, 13:46 von Katharina Johannsen
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Berlin (energate) - Die Debatte um eine Aufteilung der deutschen Gebotszonen nimmt Fahrt auf. Eine Spaltung der bisher einheitlichen deutschen Strompreiszone würde zu regionalen Vor- und Nachteilen führen. Daher sei dieses das "am emotionalsten" diskutierte Thema der Plattform Klimaneutrales Stromsystem, berichtete Ingrid Nestle, Sprecherin für Energie und Klima der Grünenfraktion im Bundestag, bei einer Veranstaltung des Arbeitskreises Zukunftsenergien in Berlin. Die Plattform sucht nach Vorschlägen für eine bessere Integration der erneuerbaren Energien in den Strommarkt. Alles sei denkbar, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu deren Auftakt. Zumindest habe man sich in der Plattform bereits über die Formulierung geeinigt, dass das Stromsystem eine stärkere Verbindung von Markt und Physik brauche. 

Eine politische Entscheidung

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Am Ende wird die Entscheidung über die Trennung der Gebotszonen eine politische sein. In der derzeit ausgearbeiteten EnWG-Novelle zieht die Bundesregierung die Kompetenz über die Entscheidung an sich. Statt der Bundesnetzagentur würde dann das Bundeswirtschaftsministerium bestimmen, wie viele Strompreiszonen es gibt. Dabei müsste sich Deutschland allerdings europäisch abstimmen. Um mit der EU-Kommission hier in Verhandlungen zu treten, sei es gut, dass die Debatte über die Aufteilung der Preiszone jetzt in Deutschland beginne, sagte Nestle. 

Derzeit untersuchen die europäischen Übertragungsnetzbetreiber die Auswirkungen eines Preissplits - nicht nur in eine Nord-/Südzone, sondern auch in mehrere Preiszonen. Im Frühjahr 2024 wollen sie ihre Ergebnisse vorstellen. Danach haben die EU-Mitgliedsstaaten sechs Monate Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Sollten sie sich nicht einigen, könnte die Europäische Kommission eine Neuaufteilung veranlassen, erklärte Michael Schütz aus der Generaldirektion Energie der EU-Kommission.

Ost- und Nordländer für Preiszone

Die Parteien laufen sich für die Debatte bereits warm. Der Bundestagsabgeordnete Ralph Lenkert (Linke) aus Thüringen erklärte bei der Diskussion, dass sich der Strommarkt derzeit noch ökonomischen Prinzipien widersetze. Da wo das Angebot am höchsten ist, etwa in den Regionen mit viel Windkraft, bezahlen die Verbraucher und Unternehmen die höchsten Preise. Wiederum dort, wo das Angebot niedrig ist, profitieren die Verbraucher von geringeren Netzentgelten. "Wir tragen die Ausbaukosten", beklagte Lenkert. Das sei marktwirtschaftlich kontraproduktiv.

Auch für die in der Zukunft wichtigen steuerbaren Kapazitäten spiele die Trennung von Gebotszonen eine Rolle. Das derzeitige System berge die Gefahr, falsche Anreize für neue Gaskraftwerke zu setzen, warnte Lenkert. Statt an süddeutschen Orten lohne sich für künftige Betreiber beim aktuellen Marktsystem ein Standort im Norden. Denn die Transportkosten für Strom zahle die Allgemeinheit, während die Kosten für den Transport des Wasserstoffs, der vermutlich ebenfalls im Norden erzeugt werde oder ankomme, der Betreiber zu tragen habe. 

Nicht nur Thüringen, auch der Norden sympathisiert mit einer aufgeteilten Preiszone. Das windstarke Bundesland Schleswig-Holstein brachte die Debatte in den Bundesrat. In dem Antrag fordert die Landesregierung bei den Diskussionen um das Strommarktdesign eine genauere Betrachtung der "Vor- und Nachteile einer veränderten Gebotszonenkonfiguration" (energate berichtete). 

Bayern fürchtet höhere Stromkosten

Der CSU-Politiker Andreas Lenz warnte hingegen vor einer Abwanderung der Industrie ins Ausland, sollte die Strompreiszone aufgetrennt werden und damit zu höheren Preisen in Süddeutschland führen. "Die Wirtschaft in Deutschland wird nicht gestärkt, wenn man den industriellen Kern im Süden schwächt", warnte Lenz. Ingrid Nestle hielt dem entgegen: Nicht Bayern, sondern andere Bundesländer würden voraussichtlich höhere Strompreise bezahlen. Dem Klimaneutralitätsszenario der Netzbetreiber zufolge seien Stromerzeugung und -nachfrage in Bayern ausgeglichen. In der Energiewirtschaft trifft ein Preiszonensplit ebenfalls auf Ablehnung. Auch Übertragungsnetzbetreiber, Strombörse und Industrie positionierten sich in der Vergangenheit bereits dagegen. /kj