06.02.23, 14:59 von Heiko Lohmann

Berlin (energate) - Eine mögliche nationale Wasserstoffnetzgesellschaft sorgt für zunehmende Unruhe unter den Fernleitungsnetzbetreibern (FNB). "Gascade, Gasunie Deutschland, OGE und Ontras setzen alles daran, den Wasserstofftransport an sich zu reißen und die übrigen FNB aus diesem Zukunftsgeschäft zu drängen - mit staatlicher Unterstützung", klagte der Geschäftsführer eines Fernleitungsnetzbetreibers gegenüber energate.

Banner "Koop: qbility"

Die Möglichkeit der staatlichen Beteiligung an einer Wasserstoffinfrastrukturgesellschaft oder ein rein staatlicher Wasserstoffnetzbetreiber wird seit Monaten im Bundeswirtschaftsministerium, aber auch im Bundeskanzleramt diskutiert (energate berichtete). Damit soll wohl vor allem der schnelle und an politischen Zielen orientierte Aufbau eines Wasserstofffernleitungsnetzes gewährleistet werden. Im Januar hatten die Netzbetreiber im Rahmen ihrer Koordination im FNB Gas eine Gegenstrategie erarbeitet. Die wurde anfangs auch noch - so verschiedene Quellen - von den vier genannten Netzbetreibern mitgetragen.

Sechs-Punkte-Plan der Netzbetreiber

Mit einem Sechs-Punkte-Plan sollte bis 2032 ein deutsches Wasserstoffnetz geschaffen werden. Kern dieses Plans ist der Vorschlag eines "Maßnahmengesetzes", das analog zum LNG-Beschleunigungsgesetz konkret die Leitungsprojekte auflistet, die Teil eines deutschen H2-Backbones werden sollen. Als Basis können die Vorarbeiten im Netzentwicklungsplan (NEP) 2022 bis 2032 dienen. Weitere Projektvorhaben zum Beispiel im Rahmen der europäischen Ipcei-Förderung sollen eingebunden werden. Die Finanzierung wird in dem Vorschlag durch das sogenannte Dena-Modell sichergestellt.

Die Deutsche Energieagentur hatte im August 2022 ein Konzept vorgestellt, bei dem der Bund garantiert, dass den FNB beim Aufbau des Wasserstoffnetzes keine Verluste durch eine langfristige Unterauslastung entstehen. Dies erlaubt es den Netzbetreibern von Beginn an, marktgerechte Entgelte zu bieten (energate berichtete). Für dieses Konzept wollen die FNB in der Politik und der Öffentlichkeit werben, um als Partner wahrgenommen zu werden und eine Festlegung auf eine Netzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung zu verhindern. Diese Position haben Gascade, Gasunie Deutschland, OGE und Ontras in einer telefonischen Abstimmung der Geschäftsführer am 19. Januar aber wohl schon nicht mehr mitgetragen.

Schneller Hochlauf mit staatlicher Beteiligung

Banner "Anzeigenschaltung Verbund Paket 3 KW20"

Parallel zu den Diskussionen im Verband FNB Gas hatten sie durch die Unternehmensberatung Kearney einen Strukturvorschlag für einen "schnellstmöglichen" Wasserstoffhochlauf mit direkter staatlicher Beteiligung erarbeiten lassen und am 12. Januar im Bundeskanzleramt präsentiert. Das "Handelsblatt" hat im Januar über den Vorschlag berichtet. Der Hintergrund war, so ist aus dem Umfeld der beteiligten FNB zu hören, die Einschätzung, dass sich eine staatliche Beteiligung nicht verhindern lasse. Deshalb wollte man ein Konzept vorschlagen, das möglichst weitgehend die Interessen der FNB (zumindest der Beteiligten) berücksichtigt. Durch das Modell eines unabhängigen Fernleitungsnetzbetreibers (ITO) soll vor allem sichergestellt werden, dass die FNB Eigentümer der Erdgas- und Wasserstoffnetze bleiben.

energate konnte die Grundzüge des Modelles einsehen. Die Grundidee: In einem ersten Schritt beteiligt sich der Staat, zum Beispiel über die KFW, an jedem der vier FNB. In einem zweiten Schritt gründen die Unternehmen gemeinsam mit dem Bund eine operative Betreibergesellschaft für Wasserstoffnetze, die für die Systemplanung und die Kapazitätsvermarktung verantwortlich ist. Optional sieht das Konzept auch eine Zusammenlegung der Netzbetreiber vor. In dem Modell bleiben die aktuellen Eigentümer der FNB auch direkt an der Betreibergesellschaft beteiligt. Alle Assets verbleiben bei den jeweiligen Unternehmen. Dies schaffe für die Anteilseigner Anreize, so argumentieren die FNB, finanzielle Mittel für einen möglichst schnellen Aufbau des Wasserstoffnetzes bereitzustellen.

Ministerium mit ISO-Vorlieben

Verhindern wollen die vier FNB ein sogenanntes "ISO-Modell" (unabhängiger Systembetreiber) bei dem die Wasserstoff-Assets an eine Betreibergesellschaft mit Bundesbeteiligung verkauft oder verpachtet werden. Dieses Modell scheint bisher im Bundeswirtschaftsministerium favorisiert zu werden. In den kommenden Wochen und Monaten wird es nicht nur um die Frage der staatlichen Beteiligung am Wasserstoffnetzausbau gehen, sondern auch darum, ob sich alle Netzbetreiber in einem solchen System wiederfinden. /hl