07.09.22, 11:53 von Dennis Fischer

Wiesbaden/Berlin (energate) - Kohle- und Solarenergie konnten ihre Anteile am Strommix im ersten Halbjahr deutlich ausbauen. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Die Industrie fordert, die Gasverstromung noch mehr einzuschränken. Der in den ersten sechs Monaten erzeugte und ins Stromnetz eingespeiste Strom stammte zu knapp einem Drittel (31,4 %) aus Kohlekraftwerken, damit nahm die Einspeisung von Kohlestrom im Vergleich zum 1. Halbjahr 2021 um 17,2 Prozent zu. Die aus konventionellen Energieträgern erzeugte Strommenge ging aber gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 7,1 Prozent auf einen Anteil von 51,5 Prozent des eingespeisten Stroms zurück, auch weil sich die Stromerzeugung aus Kernenergie aufgrund des Atomausstiegs auf einen Anteil von sechs Prozent (1. Halbjahr: 12,4 %) verringerte. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen stieg im ersten Halbjahr 2022 auf einen Anteil von 48,5 Prozent (1. Halbjahr 2021: 43,8 %). Dabei stieg die Einspeisung der Photovoltaik aufgrund einer hohen Zahl an Sonnenstunden auf einen Anteil von 11,2 Prozent (1. Halbjahr 2021: 9,4 %). 

17,9 Prozent weniger Strom aus Erdgas

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Laut den Zahlen von Destatis nahm die Bedeutung von Erdgas in der Stromerzeugung weiter ab. Die Stromerzeugung aus Erdgas ging im 1. Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 17,9 Prozent auf einen Anteil von nur noch 11,7 Prozent der eingespeisten Strommenge zurück (1. Halbjahr 2021: 14,4 %). Noch deutlicher sei die gegenläufige Entwicklung bei Kohle und Erdgas gewesen, wenn nur das zweite Quartal betrachtet werde. In diesem Zeitraum stieg die Einspeisung von Kohlestrom im Vergleich zum Vorjahresquartal um 23,5 Prozent auf einen Anteil von 31,3 Prozent der gesamten Strommenge, während die Stromerzeugung aus Erdgas um 19,3 Prozent auf einen Anteil von zehn Prozent zurückging.

Erstmals Stromexportüberschuss gegenüber Frankreich

Wie die Destatis-Daten weiter ergaben, ist die nach Deutschland importierte Strommenge im 1. Halbjahr 2022 im Vergleich zum 1. Halbjahr 2021 um 9,1 Prozent gesunken. Besonders deutlich seien die Rückgänge mit minus 58,9 Prozent bei den Stromimporten aus Frankreich gewesen. "Das 1. Halbjahr 2022 war auch das erste Halbjahr seit Beginn der Statistik im Jahr 1990, in dem Deutschland mehr Strom nach Frankreich exportierte als Strom aus Frankreich zu importieren", so Destatis. Frankreich hat in diesem Sommer Probleme mit der Stromerzeugung in Kernkraftwerken und die Produktion gedrosselt (energate berichtete). 

VIK: Gasmangellage nicht verschärfen

Während die Gasverstromung im ersten Halbjahr insgesamt zurückging, zeichnen Daten des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) aus dem August ein anderes Bild. Demnach hat sich die Stromerzeugung aus Erdgas gegenüber dem Vormonat deutlich erhöht. Im Vergleich zum Vorjahresmonat liegt die Erzeugung sogar nahezu auf einem doppelt so hohen Niveau, hieß es. Damit seien allein im August über zwei Mrd. kWh mehr Erdgas verstromt worden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Ein Grund dafür sind die gestiegenen Stromexporte nach Frankreich.

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Darüber hinaus geht aus den VIK-Zahlen des vergangenen Monats hervor, dass die Industrie weitere "massive Einsparungen" beim Erdgasverbrauch vorgenommen habe. Der monatliche industrielle und gewerbliche Verbrauch (ohne Gaskraftwerke) liege nach Daten der Bundesnetzagentur auf dem niedrigsten Stand dieses Jahres (energate berichtete). Der Industrieverband BDI hatte kürzlich darauf verwiesen, dass der Rückgang des Gasverbrauches in den Unternehmen damit zusammenhänge, dass viele die Produktion wegen hoher Energiepreise gedrosselt haben.

Trotz des in der Industrie sinkenden Verbrauchs, zeigen die Daten der Bundesnetzagentur zum gesamtdeutschen Gasverbrauch im August eine Zunahme - die auch über dem Niveau aus dem Vorjahr liegt. Die Daten sind allerdings mit Vorsicht zu genießen: Methodisch nimmt die Behörde für die Berechnung des Gasverbrauchs die Summe aus Importen, Ausspeicherungen und Produktion und zieht davon die Exportdaten und Einspeicherungen wieder ab. Die somit ermittelte Differenz bildet den Verbrauch ab - nicht die tatsächlich verbrauchten Gasmengen der RLM-Kunden. 

Rückkehr der Kohle stockt

Der VIK fordert mehr Maßnahmen, um die Gasverstromung zu beschränken. "Wenn wir die Gasmangellage nicht verschärfen wollen, muss nun alles darangesetzt werden, die jeweiligen Gründe für die zu schwache Auslastung der Kohlestromkapazitäten zu ermitteln und möglichst zu beseitigen", sagte VIK-Hauptgeschäftsführer Christian Seyfert. Laut VIK-Daten lag die Stromerzeugung aus Steinkohle im vergangenen Monat "zwar über der des Vorjahresmonats, jedoch liegen diese Werte immer noch deutlich unter den bereits in diesem Jahr erreichten, aus Kohle produzierten Strommengen", so Seyfert. Die Bundesregierung will in Reserve befindliche Kohlekraftwerke oder solche, die vor der Abschaltung stehen, die Rückkehr an den Markt ermöglichen. Bisher haben die Betreiber aber nur für wenige Kraftwerke einen solchen Schritt angekündigt oder vollzogen (energate berichtete). /df/kj