Moskau (energate) - Gazprom hat Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 vollständig ausgesetzt. Bei der Wartung der letzten aktiven Turbine in der Verdichterstation Portowaja seien Öllecks festgestellt worden, teilte das Unternehmen via "Telegram" mit. Die festgestellten Fehler und Schäden erlaubten keinen sicheren, störungsfreien Betrieb des Gasturbinenwerks. Deshalb sei es notwendig, den weiteren Betrieb einzustellen. Ähnliche Öllecks seien zuvor bereits an anderen Turbinen festgestellt worden.

Banner "Koop: qbility"

Die Behebung der Schäden sei nur in einer Fachwerkstatt möglich, heißt es von Gazprom. Ein Schreiben bezüglich der festgestellten Störungen sei an Siemens Energy versandt worden. Ursprünglich hatte Gazprom für die Zeit nach der angekündigten dreitätigen Lieferunterbrechung wieder Mengen für den Transport über die Ostsee-Pipeline nominiert (energate berichtete). Diese hat Gazprom nach Daten der Nord Stream AG nun aber wieder zurückgezogen. Nach der Reduktion der Liefermengen auf 40 Prozent im Juni und 20 Prozent im Juli kommt nun womöglich dauerhaft kein russisches Gas mehr durch die Ostsee nach Deutschland.

Siemens Energy widerspricht

Siemens Energy widerspricht unterdessen den Angaben von Gazprom. "Als Hersteller der Turbinen können wir feststellen, dass ein derartiger Befund keinen technischen Grund für eine Einstellung des Betriebs darstellt", erklärte das Unternehmen. Laut Siemens Energy verhindere die von Gazprom genannte Ölleckage auch nicht den Betrieb der Turbine. Zudem könne die Leckage vor Ort abgedichtet werden, eine Reparatur in einer Fachwerkstatt - wie von Gazprom angegeben - ist demnach nicht erforderlich. Auch in der Vergangenheit sei es in vergleichbaren Fällen nicht zu einem Turbinenausfall gekommen. In der Verdichterstation Portowaja stünden außerdem weitere Turbinen für einen Betrieb von Nord Stream 1 bereit, so das Unternehmen.

Wirtschaftsministerium gibt sich gelassen

In einer ersten Reaktion aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es, die Ankündigung Gazproms seien zur Kenntnis genommen worden. Die Unzuverlässigkeit Russlands habe sich in den vergangenen Wochen bereits gezeigt. "Entsprechend haben wir unsere Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von russischen Energieimporten unbeirrt und konsequent fortgesetzt", erklärte eine Ministeriumssprecherin. Sie verwies auf die Gasspeicher, die inzwischen bereits zu fast 85 Prozent gefüllt seien, einen Monat früher als geplant. "Auch bei der Versorgung über andere Lieferwege als russische Pipelines und neue Anlandekapazitäten für Flüssiggas kommen wir gut voran."

Banner "Anzeigenschaltung Verbund Paket 3 KW20"

Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, verwies auf die gefüllten Gasspeicher, die geplanten LNG-Terminals sowie die Bemühungen, Energie einzusparen. "Gut, dass Deutschland inzwischen besser vorbereitet ist", schrieb Müller bei "Twitter". Nach Angaben des Gasspeicherverbandes Ines werden die Speicher trotz des Nord-Stream-1-Ausfalls weiter befüllt. Am ersten Tag der Lieferunterbrechung seien die deutschen Gasspeicher mit 611 GWh befüllt worden. Über Nord Stream 1 kamen am Tag vor dem Stillstand noch 348 GWh. Das 85-Prozentziel werde in Kürze erreicht. Um die erhoffte Quote einer 95-prozentigen Befüllung bis zum Winter zu erreichen, seien aber "große Anstrengungen" erforderlich, sagte Ines-Geschäftsführer Sebastian Bleschke zu energate.

Wie die Märkte auf den Lieferstopp reagieren, ist momentan noch offen. Vor dem Wochenende war der Day-Ahead-Preis auf 181 Euro/MWh gefallen. /tc/kw/cs