Hannover (energate) - Niedersachsens Spitzenpolitiker ärgern sich über die Forderung des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) nach Fracking im Norden. Der niedersächsische Energieminister Olaf Lies (SPD) lehnt die unkonventionelle Methode zur Erdgasgewinnung explizit ab. Mit seinem jüngsten Vorstoß mache sich Söder vielmehr zum "König der Nimbys", wird Lies in einer Mitteilung zitiert. So hatte sich der CSU-Politiker vor dem Hintergrund der aktuellen Gaskrise ebenso für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ausgesprochen, sich aber gleichzeitig aus der nationalen Suche nach einem Endlager "herausmogeln wollen", kritisiert Lies. "Und jetzt fracken in Niedersachsen. Alles wollen, aber bitte 'not in my backyard'", so der Landesenergieminister.
Weil: "Gehts noch?"
Auch bei Söders niedersächsischem Amtskollegen Stephan Weil (SPD) sind die Ideen aus Bayern nicht gut angekommen. Dieser hatte sich daraufhin über den Kurznachrichtendienst "Twitter" zu Wort gemeldet: "Geht's noch?! Lieber Markus Söder, wie wäre es endlich mit Windkraft in Bayern", fragte der Ministerpräsident Niedersachsens. Denn in Bayern verhinderten "absurde Abstandsregeln" neue Windkraftanlagen, auch beim Stromnetzausbau hinke das süddeutsche Bundesland mehrere Jahre hinterher.
Fracking ist keine kurzfristige Lösung
Söder hatte angeregt, aufgrund der drohenden Gasknappheit in Deutschland die heimische Förderung auszubauen und in Niedersachsen das sogenannte Hydraulic Fracturing zu prüfen. Bei dem Verfahren wird Wasser vermischt mit anderen chemischen Zusätzen in tiefes Gestein mit hohem Druck verpresst. "Fracking von gestern will keiner. Aber es ist sinnvoll zu prüfen, ob es neue und umweltverträgliche Methoden gibt", sagte Söder in der "Süddeutschen Zeitung".
Eine kurzfristige Lösung sei das nicht, argumentiert Lies dagegen. "Fracking und Schiefergas bringen uns in der aktuellen Situation keinen Meter weiter", so der Minister. Denn die ersten Kubikmeter Gas könnten erst in fünf bis zehn Jahren gefördert werden. Ähnlich hatte sich auch die Förderbranche anlässlich der jüngst wieder aufgekochten Fracking-Debatte geäußert. So wies BVEG-Hauptgeschäftsführer Ludwig Möhring darauf hin, dass der Einsatz der Fracking-Technologie einen "mehrjährigen Vorlauf" brauche. Dies vor allem, weil sich deutsche Explorationsunternehmen schon vor Jahren wegen fehlender Akzeptanz in Deutschland komplett vom Fracking verabschiedet hatten (energate berichtete). An dieser Situation habe sich auch in den vergangenen Monaten nichts geändert, betonte Möhring gegenüber energate.
Langfristig positive Wirkung auf Volkswirtschaft
Langfristig könnte die Schiefergasproduktion der deutschen Volkswirtschaft aber schon helfen, meint Möhring. Denn sie bringe mehr Versorgungssicherheit und eine weitere Diversifizierung der Quellen in Zeiten knapper Mengen. So könnte eine denkbare Förderung von bis zu 10 Mrd. Kubikmeter pro Jahr zusätzliche LNG-Importe vermeiden. Die Verringerung der Abhängigkeit von LNG-Importen sorge wiederum für Druck auf die Großhandelspreise, führte er aus. "Bezogen auf einen Jahresbedarf in Deutschland von rund 90 Mrd. Kubikmeter würde jeder einzelne Euro/MWh, um den der Marktpreis infolge des Zusatzangebotes sinken würde, zu einer Gesamteinsparung in Deutschland von 900 Mio. Euro pro Jahr führen", rechnet er vor.
Niedersachsen indes will auf Erneuerbare setzen, betont Lies. Dazu gehöre der Ausbau von Windkraft und Solaranlagen sowie der Bau von LNG-Terminals und Netzausbau. "Auch in den Süden, damit auch Bayern übernächsten Winter noch Gas hat", so Lies. /ml