Essen (energate) - "Als Stadt Essen leiden wir in mehrerlei Hinsicht unter der Energiewende." Das sagte der Oberbürgermeister von Essen, Reinhard Paß (SPD), im Gespräch mit energate. So belasten die derzeitigen Entwicklungen im Strommarkt sowohl die Bürger direkt als auch indirekt über die Finanzen der Stadt, so Paß. Der steigende Energiepreis, der durch die Subventionierung der erneuerbaren Energien entstehe, stelle für viele Bürger Essens ein Problem dar. "Wir haben hier 42.000 sogenannte Bedarfsgemeinschaften. Das sind rund 82.000 Bürger, die auf Transferleistungen angewiesen sind und für die die steigenden Energiepreise ein echtes Problem darstellen", so Paß. Sollten die Belastungen für den Verbraucher aus der Energiewende weiter steigen, bedeute das für die Stadt, dass sie mehr Menschen finanziell unterstützen muss, damit sie über die Runden kommen. "Das wird dann natürlich eine Belastung für den Haushalt", so Paß.
Der Haushalt stehe derzeit durch die Entwicklungen im Strommarkt zusätzlich unter Druck. Essen ist Hauptsitz des Energiekonzerns RWE und des Kraftwerksbetreibers Steag, sowie ein wichtiger Standort des Konzerns Eon. Eon und RWE gaben zuletzt bekannt, dass das Kraftwerksgeschäft das Ergebnis der beiden Konzerne erheblich belaste (energate berichtete). "Ich kann jetzt das Steuergeheimnis nicht brechen, aber dass es bei der Gewerbesteuer da natürlich schlecht aussieht, kann man sich ja denken", so Paß zur Entwicklung. Die Steag profitiere derzeit noch von ihrem Auslandsgeschäft und zeige sich "vorsichtig optimistisch", aber Sorgen darüber, wie sich die Zukunft entwickelt, seien auch verständlich.
Die Stadt Essen ist jeweils an RWE und Steag beteiligt. 18,6 Mio. Aktien halten die Stadt und ihre Beteiligungen insgesamt an RWE. Die Dividende aus der Beteiligung ist ein wichtiger Bestandteil des Haushaltes. Im vergangenen Jahr brach diese allerdings um rund 28 Mio. Euro ein. "Die fehlen dann vom einen Tag auf den anderen." Zudem seien 11,7 Mio. Aktien in der Bilanz der Stadt mit etwa 76 Euro bewertet, würden am Markt dagegen mit rund 21 Euro gehandelt. "Hier wird zukünftig eine Wertberichtigung stattfinden müssen, und die stellt dann einen massiven Verlust an Eigenkapital für die Stadt dar." Seit den 2000er Jahren habe die Stadt Essen 2,3 Mrd. Euro Schulden an Konsumkrediten aufgetürmt. Bis 2016 soll der Haushalt ausgeglichen sein. "Wir sind da auf einem guten Weg, aber diese Probleme, die durch eine falsche Politik auf Bundesebene entstanden sind, machen es nicht einfacher", sagt Paß. Die 15-prozentige Beteiligung an Steag über die Stadtwerke Essen sei bisher kein Problem.
Paß kritisiert, dass die Folgen der Energiewende die Bürger seiner Stadt gleich zweimal treffen könnten. Zum einen über die hohen Energiepreise und zum anderen, wenn die Stadt weitere Sparmaßnahmen wegen der Einnahmeausfälle umsetzen müsse. "Das bedeutet dann eine Verschlechterung der Dienstleistungen für unsere Bürger." Er begrüßte den Vorstoß des NRW-Wirtschaftsministers Garrelt Duin (SPD), Kraftwerke zu stützen (energate berichtete). "Die bisherige Energiepolitik war opportunistisch und falsch. Wir müssen den Markt wieder stabilisieren und Vertrauen herstellen." /sw